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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Geller, Johannes: Rudolf Bosselt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0072

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ARBEITEN VON RUDOLF BOSSELT

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Relief von einem Grabmal
in Mülheim a. d. Ruhr

ginelle Pose, die Spannung erregende Darstellung der
Anekdote, des gegenständlich beschwerten Rebus mit
oder ohne Auflösung, sind ihm unkünstlerische Mittel.
Damit hat er sich das Interesse der Allgemeinheit
versperrt und die Beschränkung und Isolierung gewählt,
die nach einem Worte des greisen Goethe erst höchste
Kunst bedeuten. Freilich hat er deswegen auch zu-
nächst das Schicksal des Nichtgekanntseins mit der
Masse der Mittelmäßigen und Halben teilen müssen,
und in vielen Jahren der Vereinsamung ist auch ihm
nicht die härteste Prüfung, die einen Großen martern
kann, erspart geblieben, Zweifel an sich selbst, Mut-
losigkeit am Werk, die in den einsamen Stunden der
Arbeit sich einfinden und die Schöpferfreude an der
Vollendung vergällen können. n
□ So ist das wohl nicht nur abstrakt gefühlt, sondern
persönlich erlebt, was von solchen Gedanken der Ent-
mutigung in die Jünglingsfigur übergegangen ist
(Abb. S. 74), die sich aufreckt, straff und gespannt eine

wo die Werte gehandelt werden. Mit Ausnahme
der größeren eigenen Ausstellung in Magdeburg
diesen Frühjahrs hat Bosselt aber sich nur wenig
an Ausstellungen beteiligt, und was den Vertrieb
von Plastiken im Kunsthandel angeht, so glaubt
er bei einer gewerbsmäßigen Reproduktion selbst
von den besten Bronzegießereien nicht seine
hochgestellten Ansprüche an die Ausführung er-
füllt zu finden. Er ist ja nicht der einzige, der
über den Stand der Bronzegießerei in Deutsch-
land zu klagen hat. Von Lettre in Berlin ist
mir ein hübsches Beispiel mitgeteilt worden.
Dieser Künstler wollte einen Delphin in ver-
lorener Form gegossen haben; er hat fünfmal
versucht und konnte es nicht erreichen, daß die
Gußnaht wegblieb; er hätte sie wegziselieren
und der Umgebung angleichen müssen; dann
aber wäre der ganze Effekt des Stückes, das
Mattgleißende, Schleimige der Oberfläche ver-
loren gegangen, ein Effekt, den er noch be-
sonders durch den Gegensatz zu einem getriebe-
nen, glatt und kantig erscheinendem Teilstück
gesteigert haben wollte; schließlich mußte die
Ausführung überhaupt unterbleiben. Aus ähn-
lichen Erfahrungen heraus läßt Bosselt jeden
Abguß seiner Kleinplastiken besonders hersteilen
und arbeitet ihn im Atelier persönlich nach. °
□ Der wichtigere, nicht aus so äußerlichen Um-
ständen zu erklärende Grund für die zurzeit vor-
handene Isoliertheit Bosselts im zeitgenössischen
Schaffen hängt mit seiner ganzen Stellung inner-
halb der skizzierten Entwicklung des Kunst-
gewerbes zusammen. Wer so mitten im Fluß
der Entwicklung steht und gleichmäßig mit ihr
fortschreitet, wächst und größer wird, kann
Publikum und Kunstfreunden nicht auffallen.
Es fehlt die Distanz. Um sich bemerkbar zu
machen, muß man durch eine Extravaganz,
ein Hervorkehren des Ausfallenden sich gleich-
sam in Szene setzen. Das hat Bosselt mit
Sorgfalt und aus künstlerischem Anstands-
gefühl vermieden. Die interessante und ori-
schmetternde Kraft zu


Relief von einem Grabmal
in Mülheim a. d. Ruhr

entsenden, die Stirn erhoben
und den Blick zum Licht gewendet; aber an den
abwärts gewendeten Armen verströmt die Spannung,
der entgleitende Erfolg hat sie schlaff gemacht und
niedergezogen. □
□ Kampf und Unterliegen, oder Kampf und Siegen.
Dieses Motiv des nicht ausgetragenen Ringens be-
schäftigt gern den Künstler. Immer fordert er auf
zu göttergleichen Anstrengungen; Ausgang und Er-
folg verschweigt und verhüllt er. Die Hamburger
Rettungsmedaille, die Essener und Brüsseler Medaille,
die Marmorfigur des »Erschauerns« zeigen nur Höhe-
punkte dieses Ringens, den nervenerschütternden
Augenblick, wenn die Schlacht steht. In der Brüsseler
Plakette ist das noch zum literarischen Ausdruck ge-
bracht durch den Begleiters Goethes auf der Rück-
seite, die »Beherzigung: Allen Gewalten zum Trutz
sich erhalten, nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen,
rufet die Arme der Götter herbei«. □
 
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