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ARBEITEN VON RUDOLF BOSSELT
□ So stehen wir denn auch vor Bosselts Künstler-
werk fragend, ob es richtig ist, darin Sieg oder Unter-
liegen zu sehen, eine Aufwärtsbewegung von kraft-
voller konsequenter Führung zu klar gefaßten Zielen
oder ein Niedergleiten, ein Stehenbleiben, ein wenn
auch ehrenvolles Unterliegen. □
□ Eine Analyse der Hauptwerke wird uns näher an
den Kern der Frage heranbringen. n
□ Was zuerst auffällt, ist die rasche Überwindung
des eigentlich Kunstgewerblichen. Schon nach vier
Jahren ist diese Seite künstlerischen Schaffens erledigt.
Das ist zu bedauern; denn die erreichte Höhe in
Technik und Auffassung war höchst beachtenswert
und hätte länger vorbildlich sich auswirken dürfen.
Wie vornehm wirkt zum Beispiel sein Briefkopf, wie
beziehungsvoll und ausgereift erscheint das Linien-
ornament auf der Blumenvase (Abb. S. S1) und in dem
Metallbuchbeschlag(Abb.S.8o). Welch reizvoll bewegtes
Motiv ist in dem Reiher (Abb. S. 80; in der Abbildung
ist der Schriftrand fortgelassen) zu einer ganz geo-
metrisch aufgeteilten Lösung gekommen, die dennoch
von der geschmeidigen Haltung des Tierkörpers nichts
verloren gehen läßt. Die Holzkaryatide (Abb. S. 74) ist
schon ein Beispiel dafür, wie die kunstgewerblich zu
erklärende Stilisierung eine leise, aber bestimmte
Wandlung zum Monumentalen erfährt. Der in Bronze
gegossene Ehrenbürgerbrief (Abb. S. 67), ein überaus
seltener Fall kunstgewerblichen Auftrags, ist ein Nach-
zügler aus neuester Zeit. »St. Antonius« gibt ein un-
übertreffliches Beispiel dafür ab, wie auch heute noch
gleich den Zeiten der Hochrenaissance für reine
Kunst sich die reichsten Anwendungsmöglichkeiten
auffinden lassen. Die äußere Veranlassung ist reiz-
voll genug, um erzählt zu werden. Ein Maler wünschte
die Verschraubung des Zylinderkühlers an seinem
Automobil mit einem Kunstwerkchen geschmückt zu
sehen. Die abergläubischen Südländer pflegen, auf
daß ihren Wagen kein Malheur passiere, irgend ein
Heiligenfigürchen anzubringen; und auch die ungläu-
bigen Heiden meinen, es könne nichts schaden und
sehe nett aus; es mögen sich da ernste und scherz-
hafte Überlieferungen und Anwandlungen begegnen;
auch heute gibt’s ja noch Leute, die Freitags nicht
reisen wollen und im Krankenzimmer Nr. 13 nicht
gesund werden können. Vielleicht ist’s auch bloß
Gewohnheit und Mode; kurz, St. Antonius mit dem
Ferkelchen ist ein großer Wundertäter und außerdem
sieht ein Malerauge auf dem Kühler lieber eine ent-
ARBEITEN VON RUDOLF BOSSELT
□ So stehen wir denn auch vor Bosselts Künstler-
werk fragend, ob es richtig ist, darin Sieg oder Unter-
liegen zu sehen, eine Aufwärtsbewegung von kraft-
voller konsequenter Führung zu klar gefaßten Zielen
oder ein Niedergleiten, ein Stehenbleiben, ein wenn
auch ehrenvolles Unterliegen. □
□ Eine Analyse der Hauptwerke wird uns näher an
den Kern der Frage heranbringen. n
□ Was zuerst auffällt, ist die rasche Überwindung
des eigentlich Kunstgewerblichen. Schon nach vier
Jahren ist diese Seite künstlerischen Schaffens erledigt.
Das ist zu bedauern; denn die erreichte Höhe in
Technik und Auffassung war höchst beachtenswert
und hätte länger vorbildlich sich auswirken dürfen.
Wie vornehm wirkt zum Beispiel sein Briefkopf, wie
beziehungsvoll und ausgereift erscheint das Linien-
ornament auf der Blumenvase (Abb. S. S1) und in dem
Metallbuchbeschlag(Abb.S.8o). Welch reizvoll bewegtes
Motiv ist in dem Reiher (Abb. S. 80; in der Abbildung
ist der Schriftrand fortgelassen) zu einer ganz geo-
metrisch aufgeteilten Lösung gekommen, die dennoch
von der geschmeidigen Haltung des Tierkörpers nichts
verloren gehen läßt. Die Holzkaryatide (Abb. S. 74) ist
schon ein Beispiel dafür, wie die kunstgewerblich zu
erklärende Stilisierung eine leise, aber bestimmte
Wandlung zum Monumentalen erfährt. Der in Bronze
gegossene Ehrenbürgerbrief (Abb. S. 67), ein überaus
seltener Fall kunstgewerblichen Auftrags, ist ein Nach-
zügler aus neuester Zeit. »St. Antonius« gibt ein un-
übertreffliches Beispiel dafür ab, wie auch heute noch
gleich den Zeiten der Hochrenaissance für reine
Kunst sich die reichsten Anwendungsmöglichkeiten
auffinden lassen. Die äußere Veranlassung ist reiz-
voll genug, um erzählt zu werden. Ein Maler wünschte
die Verschraubung des Zylinderkühlers an seinem
Automobil mit einem Kunstwerkchen geschmückt zu
sehen. Die abergläubischen Südländer pflegen, auf
daß ihren Wagen kein Malheur passiere, irgend ein
Heiligenfigürchen anzubringen; und auch die ungläu-
bigen Heiden meinen, es könne nichts schaden und
sehe nett aus; es mögen sich da ernste und scherz-
hafte Überlieferungen und Anwandlungen begegnen;
auch heute gibt’s ja noch Leute, die Freitags nicht
reisen wollen und im Krankenzimmer Nr. 13 nicht
gesund werden können. Vielleicht ist’s auch bloß
Gewohnheit und Mode; kurz, St. Antonius mit dem
Ferkelchen ist ein großer Wundertäter und außerdem
sieht ein Malerauge auf dem Kühler lieber eine ent-