Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

DOI Artikel:
Geller, Johannes: Rudolf Bosselt
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0077

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
70
ARBEITEN VON RUDOLF BOSSELT


Brunnenfigur. Skizze Sitzender Jüngling. Skizze

Gruppe. Kein Symbol, kein Gerät gibt eine Andeutung
vom Arbeiterleben. Nur die Gestalten reden, und sie
bringen in der leichten Hinneigung, scheu und mit
der Unbehilflichkeit schwer schaffender Körper die
tiefe Glücksempfindung zum Ausdruck, die in einem
Kinde auf Mutterarmen ihre nie versiegende Quelle
hat und die allein imstande ist, die Fron der Arbeit,
die Sorge ums Brot einmal vergessen zu lassen. □
□ Mit der Motivenvereinfachung geht zusammen eine
starke — schon in der Austilgung jeder Spur vom
körperlichen Modell sichtbar werdende — Formen-
vereinfachung und eine auf persönlicher Wertschätzung
beruhende glatte Oberflächenbehandlung. Wohl kennt
und schätzt Bosselt die unser modernes Empfinden
bestechende Wirkung des nicht ganz Fertiggestellten,
der rauhen Fläche, die im Marmor das Licht in
sanften Brechungen sich verflüchtigen läßt; der un-
geglätteten Bronze, die, wie er sich in einer seiner
Gelegenheitsschriften ausdrückt, »die beschwingte, der
zerebralen Energie folgende Hand sichtbar und zu
ästhetischem Reiz werden« läßt. Aber ihm ist diese
Manier nicht zum Formprinzip geworden. Nur in
einigen Frühwerken hat er sie einmal angewendet,
o Ein Vergleich der Abbildungen untereinander

bringt das unmittelbar zur Anschauung. Was viel-
leicht hier nicht so deutlich wird, sondern die
Betrachtung der Originale erfordert, ist, daß alle
Gesichtsbildungen eine gleichsam physische Ver-
wandtschaft zeigen. Das von Meistern der Malerei
bereits früh angewendete Mittel, Gleichförmigkeit in
Haltung, Statur, Gewandung zur Verstärkung der
Formensprache und zur Beschwingung des Rhythmus
zu nutzen, wird von Bosselt auf die Plastik angewendet.
Aber nicht wie in der Malerei von Fall zu Fall, sondern
in Umfassung fast aller Werke; anfänglich vielleicht
unbewußt, aus dem Wunsche hervorgegangen, sich
das eigne vorschwebende Ideal des Menschheitstyps
zu bilden, später sicher mit Absicht und dem Bewußt-
sein, ein persönliches Stilelement erster Ordnung ge-
funden zu haben. Vereinfachung führt aber zur Ver-
geistigung.
□ Doch hier nähern wir uns schon den Problemen
psychischer Impressionen, die Bosselt in einer Reihe
von großen Plastiken bewegt haben und rühren an
die geheimnisvollen Vorgänge bei der künstlerischen
Konzeption. Der ewige Streit, ob die künstlerische
Form auch einen Inhalt haben dürfe, wird in Zeiten
der nicht gemeisterten Formen, verloren gegangener
 
Annotationen