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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Hellwag, Fritz: Berliner Schmiedearbeiten: Sonderausstellung im kgl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0133

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BERLINER SCHMIEDEARBEITEN

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markt, sondern es heißt: bleibe im Lande und nähre
dich redlich. Das Handwerk wird von Bestellungen,
und zwar von Einzelbestellungen im Heimatlande,
am Wohnorte abhängig bleiben; selbst ein Arbeiten
auf Vorrat muß in Anbetracht der gedrückten wirt-
schaftlichen Lage die Ausnahme bilden. So kann
man es denn dem Handwerker und in unserem Falle
dem Kunstschmied, nicht so sehr verdenken, wenn
er sein Festhalten am Hergebrachten mit dem Sprich-
worte begründet und verteidigt: Wes’ Brot ich esse,
des’ Lied ich singe. n
□ Bisher kamen die Brotgeber doch hauptsächlich
aus den Reihen der Stilarchitekten und waren längst
keine echten Freunde des freien und gründlichen
Handwerks mehr! Wohl wurde der auftragende
Prunk des Reichtums vom Handwerk verlangt, aber
mit der Bewilligung einer, von solchem Verlangen
logisch bedingten ausreichenden Bezahlung der Ar-
beit haperte es an allen Ecken und Enden. (Preise,
wie sie in jenen Zeiten des Barock und Rokoko, als
die Stile, mit denen unsere Architekten heute nur
noch jonglieren, echt und zeitgemäß waren, von
Fürsten und Bischöfen anstandslos den Handwerkern
bewilligt und bezahlt wurden, würden unseren heuti-
gen Handwerkern geradezu märchenhaft klingen!) So

mußten also die Surrogate Messing, Eisenblech, Guß-
eisen usw. herhalten. Das wäre an sich noch nicht
das Schlimmste gewesen, wenn sie als Surrogate
deutlich in die Erscheinung getreten wären. Schon
Mitte und Ende des 18. Jahrhunderts ging man im
Bürgerhause da viel ehrlicher zu Werke: man ver-
wendete wohl Messing als Zierat, ließ es aber als
solches erkennen und den blanken Grund des Eisens
durchschauen. Jetzt aber muß das Messing den Ein-
druck der geschmiedeten Bronze erwecken. Schinkel hat
am Geländer seiner Schloßbrücke in Berlin ganz vor-
züglichen gußeisernen Schmuck verwendet, doch hat
er ihn in Formen gehalten, die solcher Herstellungs-
art entsprachen und keinen Gedanken an Schmiede-
eisen aufkommen lassen. Jetzt aber wird jedes Form-
gebilde, jedes noch so verzweigte und zerbrechliche
Ornament, das nur geschmiedet werden könnte, im
Guß ausgeführt und »nachgehämmert« usw. Also
haben die Architekten das Handwerk heruntergebracht,
statt es auf einem anständigen Niveau zu erhalten,
und haben es durch verlangte Scheinprunkarbeit bis
ins Innerste verdorben. □
n Die von Direktor Dr. Peter Jessen zusammengebrachte
Ausstellung im Kunstgewerbemuseum zu Berlin gibt
ein typisches Bild der heutigen Situation. Die Aus-
steller zeigen zum größten Teil ein
rührendes Bestreben, trotz der schiefen
und immer mehr unhaltbaren Lage an-
ständige Handwerker zu bleiben und
durch alle Zeitschwankungen eine gute
Technik zu bewahren, ja es wird sogar
versucht, selbst die Formen, die ihrer
Art nach längst und besser in Gußtech-
nik ausgeführt werden, der Schmiede-
arbeit wieder zu erobern. Daneben
findet sich aber vereinzelt auch hier
ein Täuschungsstückchen in billigerer
oder gar nicht geschmiedeter Arbeit,
oder ein Versuch, aus Mißverständnis
oderSchlauheit mit falschen Mitteln den
Eindruck der, durch ehrliche Überle-
gung erzielten neuzeitlichen Schmiede-
arbeit nachzuahmen. (Was hiermit
gemeint ist, findet der Leser in dem
Artikel »Kunstschmied und Architekt«
in dieser Nummer.) Betrifft das eben
Gesagte die in Erscheinung tretende
Gesinnung, so zeigen sich die Aus-
steller, die ja meist nur nach gegebenen
Aufträgen zu arbeiten pflegen, fast
durchweg von der Stilkunst vergange-
ner Zeiten abhängig. Auch die Ver-
suche, an Probestücken die Kunstfertig-
keit zu zeigen, bewegen sich haupt-
sächlich in jener Richtung und er-
wecken besonders da, wo ein selbstän-
diges Entwerfen beabsichtigt wurde,
oft ein schmerzliches Bedauern über
die mißlungene und vergeblich auf-
gewendete Mühe. In anderen Fällen
liegt’s an der Unzulänglichkeit der
 
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