Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

DOI article:
Zahn, F.: Zeitgemässe Gartengedanken
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0157

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
MODERNE GARTENBAUKUNST

1 cn
lOU

Landschaftsgärtner muß oft eine ganze Reihe von
Entwürfen bearbeiten und veranschlagen, ehe er einen
Auftrag zur Ausführung erhält. Eine eingehende
Durcharbeitung ist ausgeschlossen, ein gewisses Schema
unausbleiblich, erklärlich und wohl auch entschuldbar.
Daß solche Arbeiten mit Freude und Liebe zur Sache
ausgeführt werden, ist nicht anzunehmen; sie werden
von jedem künstlerisch empfindenden und auf seinen
Stand und Beruf stolzen Gärtner als eine drückende
Fessel empfunden, die er nur trägt, weil er sie nicht
mit einem Ruck zerreißen kann, weil der ganze Ge-
schäftsbetrieb auf diesen Voraussetzungen und Be-
dingungen leider aufgebaut ist. n
□ Auf wen die Hauptschuld fällt, wer diesen un-
gesunden Zustand eingeleitet hat, ob Architekt oder
Gärtner, wird wohl kaum festzustellen sein. Die
Tatsache aber, daß er besteht, ist nicht hinwegzu-
leugnen, daß er in und um Berlin zur höchsten Blüte
gelangt ist, wird nicht bestritten werden können, a
□ Der Architekt kann viel für den Garten und sein
Aussehen tun, wenn er mit der üblichen üblen Ge-
wohnheit bricht, den Garten wie eine Steinlieferung
zu vergeben, wenn er versucht, in dem, und hier
sage ich mit Absicht, Gartenkünstler, einen Mitarbeiter
zu sehen, wenn er ihm in bezug auf den Garten die
erste Stelle einräumt, wenn er mit ihm die gesamte
Grundstücksaufteilung, die Stellung des Hauses, seine
Höhenlage bespricht, wenn er versucht, sich in seine
Gedankengänge und Ideen hineinzufinden, Verständnis
dafür zu zeigen, wie umgekehrt auch jeder tüchtige
Gartenkünstler seinen, des Architekten, Arbeiten Ver-
ständnis entgegenbringen wird. Gemeinsames Ar-
beiten auf beiderseitiger künstlerischer Grundlage, das
wird auch ein einheitliches Werk, ein Zusammen-
klingen von Haus und Garten schaffen. Die Be-
hauptung, daß es keinen diesen Anforderungen ent-
sprechenden Gartenkünstler gibt, ist heute nicht mehr
zutreffend. n
□ Gleich von Anfang an soll der Architekt an den
Garten denken durch Vorsehung genügender Mittel,
falls ihm der Auftrag geworden ist, die Gesamtkosten
der Baulichkeiten und des Gartens zu veranschlagen.
Die Fassung des Kostenanschlags: »Insgemein und
für den Garten« ist falsch. Hier kommt sicher der
Garten zu kurz und das Insgemein frißt diese Po-
sition bis auf den letzten Pfennig. Nun und nimmer
darf das für den Garten ausgesetzte, meistens schon
gering genug bemessene Geld für andere Arbeiten ver-
ausgabt werden. Gebt für den Garten ohne die Preis-
drückerei durch Submission genügend Geld her, sucht
einen tüchtigen Gartenkünstler für Entwurf und Aus-
führung, honoriert den Entwurf, damit seine Kosten
nicht indirekt, doppelt vielleicht, durch höhere Preise
für Arbeiten und Lieferungen aufgebracht zu werden
brauchen und euer Gebäude wird von einem Garten
umgeben sein, der allen Anforderungen künstlerisch
wie technisch entspricht. □
□ Völlig falsch ist die Ansicht über den Garten und

seine Anlage, die Dr. Ing. Gerold Beetz in seinem
Buche: »Das eigene Heim und sein Garten« (West-
deutsche Verlagsgesellschaft, Wiesbaden) vertritt, nur
Schaden kann sie stiften, kann die Quelle großen
Ärgernisses für den Besitzer werden und auch wohl
einen Gartenfreund in einen Gegner verwandeln. Die
Gefahr liegt um so näher, da dies Buch nach 18 Mo-
naten schon in dritter Auflage erschienen ist, und das
war schon im Jahre 1910. Wieviel mehr Unheil
kann es seit dieser Zeit angerichtet, in wie vielen
Köpfen völlig verkehrte Anschauungen über den Garten
erweckt haben. Um Mißdeutungen vorzubeugen, er-
kläre ich ausdrücklich, daß sich nur gegen die dort
vertretenen Gartenfragen meine scharfe Kritik richtet,
daß ich über die Architektur- und Baufragen mir ein
Richteramt nicht anmaße. □
□ Ich hoffe, daß nur ein kleiner Kreis gleichgesinnter
Architekten vorhanden ist, hoffe es für den Garten
insbesondere und bitte gleichzeitig jeden, dem es ernst
ist mit künstlerischem Fortschreiten, die Anschauungen
von Beetz über den Garten sich nicht zu eigen zu
machen. □
□ Ausschalten dürfen wir bei den Verhandlungen
den Besitzer nicht, denn seine Wünsche sollen be-
rücksichtigt werden, müssen maßgebend sein, für ihn
ist der Garten bestimmt, er soll sich in ihm wohl-
fühlen, Freude daran haben. Sache der Ausführenden
wird es sein, diesen Wünschen möglichst nachzu-
kommen, sie in ein künstlerisches Gewand zu kleiden,
Des Besitzers Eigenarten sollen Berücksichtigung finden,
in vererbten Besitz auf Familientradition Bedacht ge-
nommen werden. Wo dieser vorhanden ist, fester
ererbter Besitz, ist es leichter, einen Garten besonderer
Eigenart zu schaffen, als da, wo Haus und Garten
Spekulationsobjekt ist. □
□ Man weiß nicht, wie lange man Besitzer ist, fühlt
sich als Mieter im eigenen Haus und steht daher
auch dem Garten sehr neutral gegenüber. Man macht
die Mode, einen Garten zu haben, mit, weil es zum
guten Ton gehört, ebenso wie man einen kunst-
gewerblichen Gegenstand neuester Richtung kauft,
wie man Premieren besucht, weil man nicht in den
Geruch der Rückständigkeit kommen möchte. Das
trifft leider am meisten zu in Berlin. Daher werden
wir auch hier selten Gärten finden von boden-
ständiger Eigenart, wie sie im bergischen Lande, den
Hansestädten, Westfalen usw. sich uns bieten. Das
neutrale Verhalten vieler Besitzer dem Garten gegen-
über ist ebenfalls mit schuld daran, wenn minder-
wertige Gartenanlagen entstehen. Wo alle Beteiligten:
Architekt, Besitzer und Gartenarchitekt zusammen-
stehen, wo in gemeinsamer Beratung die Projekte
durchgesprochen werden, wo garten- und baukünst-
lerisches Können und technische Erfahrungen Zu-
sammenwirken, wo jeder sich bemüht, den andern
zu verstehen und ihm gerecht zu werden, da wird
auch ein einheitliches Werk von Haus und Garten,
ein Werk jeweiliger besonderer Eigenart entstehen.
 
Annotationen