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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

DOI article:
Otto, Karl Heinrich: Die königliche keramische Fachschule zu Höhr
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0173

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KÖN1GL. KERAMISCHE FACHSCHULE IN HÖHR


der Anlernling und Ausbildung von Werkleuten,
Zeichnern und Modelleuren zu Hilfe zu kommen.
Die einst so blühende Krug- und Kannenindustrie,
die besonders vom 16. bis ins 18. Jahrhundert hinein
so erfolgreich mit den Erzeugnissen anderer Töpfer-
orte, so namentlich mit Raeren bei Aachen, Köln,
Frechen und Siegburg wetteiferte, ja sogar dem Zu-
zug bedeutender Töpfermeister aus diesen Orten Vor-
schub leistete, ging um die Mitte des vorigen Jahr-
hunderts so weit zurück, daß von der einst so bedeu-
tenden Leistungsfähigkeit in bescheidenem Maße nur
die notdürftige Anfertigung von graublauen Einmache-
töpfen, gelben und braunen Mineralwasserkrügen und
Tonpfeifen in der Hausindustrie übrig blieb. Einzelne
Reste mehr kunstgewerblicher Betriebe standen ge-
schmacklich wie künstlerisch auf allertiefster Stufe. □
□ Der mit der nationalen Erhebung verbundene
wirtschaftliche und gewerbliche Aufstieg brachte den
leitenden Kreisen auch die Not des Kannenbäcker-
ländchens, das 1866 mit an Preußen gefallen ist, nahe,
dessen wieder aufblühende Kunst sich in der schlechten
Nachahmung der eigenen alten Meisterwerke aus den
früheren Jahrhunderten und solcher aus den bereits
genannten anderen rheinischen Produktionsorten gefiel.
Zwar wurde daran wieder gelernt, die örtliche Be-
völkerung wieder neu eingearbeitet und der Leipziger
Messe wieder das Nassauische Steinzeug in umfang-
reicheren Vertrieb übergeben, ohne damit jedoch der
ohnehin verrufenen und mit scheelen Augen ange-
sehenen jungen deutschen Industrie besondere Lor-
beeren zu gewinnen. Wie immer in solchen Fällen
sollte auch hier die Regierung helfen; der »Raubbau
auf Alt« mußte ja kurz über lang ein Ende nehmen.
Und er nahm es, um der süßen Bilder- und Lieder-
kunst auf den Krügen Platz zu machen; Philister-
und Studentenkunst wurde im Westerwald in Un-
mengen fabriziert. Aber nicht nur das edle Steinzeug
wurde so mißhandelt, sondern auch die keramische
Kunst überhaupt, die damals bei aller Hochkonjunktur

ihre traurigste Zeit hatte. Die Zeit der Kunstgewerbe-
schulen begann; diese Schulen und im weiteren die
Fachschulen wurden als Helfer in der Not angesehen,
um der bedrängten Industrie zunächst geschmacklich
zu Hilfe zu kommen. Dafür wurde auch die König-
liche keramische Fachschule zu Höhr 1880 eröffnet.
Ihr war nicht das glänzende Schicksal ihrer später
mit einem gewissen Zug ins Große gegründeten
Schwesterschulen des Kunstgewerbes in der Rhein-
provinz beschieden. Lange Jahre verblieb die Schule
mit den unzulänglichsten Einrichtungen in den aller-
bescheidensten Verhältnissen, und das einem Faktor
gegenüber, hinter dem nicht eine verzuckende Haus-
industrie verkümmerte, sondern eine tollgewordene
Industrie ihre Purzelbäume schlug. Nach siebzehn-
jährigem Wirken, also 1897, hatte diese Schule noch
einen jährlichen Haushaltplan von nur knapp 9000 M.,
der allerdings inzwischen auf annähernd 30000 M.
gestiegen ist, bei einer durchschnittlichen Schülerzahl
von 40 Tages- und 60 Abendschülern. Bildhauer
Meister, der Direktor der Schule, der sie auch ein-
richtete und sie durch alle Miseren, Mißverständnisse
und Anfechtungen zu ihrer heutigen Höhe, die auch
in maßgebenden Fachkreisen unbestritten ist, hinauf-
führte, ist also gleichsam die lebende Chronik der
Schule. o
□ Direktor Meister wie auch die anderen an der
Schule wirkenden Kräfte, auf die ich noch im beson-
deren zu sprechen kommen werde, haben sich nun
gewiß redlich bemüht, den ihnen gestellten Aufgaben
in Fühlung mit der Westerwälder Steinzeugindustrie
gerecht zu werden. Ja, nach allem, was ich seither
bei Besuchen in dortigen ersten Fabriken wahrnehmen
konnte, gehen im wesentlichen die neueren Erfolge
der letzten zehn Jahre auf den tätigen Einfluß der
Schule und der durch sie nunmehr herangebildeten
größeren Zahl von werktätigen Kräften an Zeichnern,
Modelleuren und Formern, die auch geschmacklich
und keramiktechnisch tüchtig geworden sind, zurück.
 
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