Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

DOI Artikel:
Hellwag, Fritz: Silhouetten-Ausstellung bei Friedmann & Weber in Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0181

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SILHOUETTEN-AUSSTELLUNG BEI FRIEDMANN & WEBER, BERLIN

1 7/t
1 /4


SILHOUETTEN-AUSSTELLUNG BEI FRIEDMANN & WEBER IN BERLIN

SILHOUET war ein knauseriger Finanzminister
Frankreichs im 18. Jahrhundert. Er wollte sparen
wie der kleinste Mann aus dem Volke, der seine
Geliebte nicht malen lassen konnte, sondern froh sein
mußte, ihren Schattenriß, fein säuberlich geschnitten,
aufhängen zu können. So kam es, daß man, den viel-
gehaßten Finanzmann verspottend, die billigen Schatten-
risse »Silhouetten« nannte: leer und schwarz wie Sil-
houets Seele! Aber erfunden hat Silhouet diese Kunst
der Schere ebensowenig, wie jene rührende korin-
thische Jungfrau, die beim Scheine eines Leuchters
das Profil des scheidenden Geliebten auf dem Schatten
an der weißen Wand nachzog. °
d Das älteste bekannte Schnittbild stammt aus dem
Jahre 1631 und ist von Johannes David Schaeffer in
Tübingen geschnitten, ein Stammbuchblatt eines Theo-
logen, aus weißem Papier geschnitten und auf schwarzen
Grund gelegt. Mag diese Scherenkunst sogar schon
im Mittelalter geübt worden sein, populär wurde sie
erst in der Biedermeierzeit. Goethe spricht oft von
dieser »artigen« Kunst, von Adele Schopenhauers
»schwarzen Teufelchen« und Lavaters physiognomi-
schen Köpfen. Zur größten Kunst hat es Christiane
Luise Duttenhofer in Waiblingen (1776—1829) ge-
bracht, doch waren ihre geschickten Silhouetten keines-
wegs »artig«, sondern zuweilen entzückend freche
Karikaturen. Zur Strafe wurde die Künstlerin von
ihren prüden Zeitgenossen totgeschwiegen. Erst Pa-

zaurek hat sie im Jahre 1908 durch eine Ausstellung
ihrer Werke im Stuttgarter Landesgewerbemuseum der
Vergessenheit entrissen. Später haben sich noch viele
bedeutende Künstler der Psaligraphie gewidmet: Ph.
O. Runge, Paul Konevka, J. A. Eckert, Wilhelm
Müller und viele andere, auch in unserer Zeit. Der
vorzügliche Graphiker Heinrich Wolff in Königsberg
ist ein Meister der Schere und hat uns kürzlich in
einer Sammlung »Geschichten einer kleinen Schere«
(Königsberg i. Pr., Deutschherrenverlag) sehr feine
Proben seiner Kunst geschenkt. □
° Aber uns Heutige, besonders die Kunstgewerbler
interessiert die Frage: Können wir die Technik dieser
Kunst unseren Zwecken nutzbar machen, dieser Kunst,
deren ausgesprochener Flächencharakter unserem der-
zeitigen Empfinden sehr verwandt erscheint? Be-
dingungsweise: ja, denn wir nehmen alles mit Freuden,
was die Pflege der Handarbeit und deren Durch-
geistigung fördern kann. Ganz besonders stimmen
wir zu, wenn durch Zusammenkleben von, auch far-
bigen Silhouetten, ein räumliches Gefühl, eine flächige
Perspektive erstrebt wird. In der Tat wird derartiges,
wie Fridrichson es auf Seite 175 versucht, auf unseren
Kunstgewerbeschulen mit Anfängern schon längst (nach
der Methode Cigek-Wien) geübt. n
□ Aber Gott schütze uns vor bloßer Biedermeier-
Nachäfferei! □

FRITZ HELL WAG.
 
Annotationen