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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Klopfer, Paul: Baugewerkschule und Heimatschutz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0184

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a Ich habe die drei Fächer: Freihandzeichnen, Gestaltungs-
lehre und Entwerfen als besonders bildend für das Emp-
finden der Heimat im Schüler hervorgehoben. Diese drei
Fächer müssen in enger Beziehung zueinander dem vor-
erwähnten Ziele zustreben. n
□ Das Gipsabzeichnen ist ja Gott sei Dank seit längerem
abgestellt. Nachdem heutzutage dem Schüler der Begriff des
Körpers, d. h. die perspektivische Darstellung desselben am
einfachsten und möglichst großen Gegenstände klar gemacht
worden ist, soll er — und dazu eignet sich der Sommer-
unterricht vorzüglich — hinaus in die Umgegend oder
auf die Straße und gute Vorbilder ansehen lernen. Er
lernt sie am besten ansehen — wenn er sie abzeichnet.
Im Winter sollten Teile des Hauses abgezeichnet werden;
einfache Verzierungen, Beschläge, ja auch gute Möbel; der
Zusammenhang zwischen Baugewerbe und Kunstgewerbe
ist ja wieder gefunden, da mag eins das andere unterstützen,
n Die Gestaltungslehre als zweites wichtiges Fach für die
Erziehung der Schüler zum Wiederempfinden der heimat-
lichen Schönheit und zum Formenschaffen im Geiste und
im Bann dieser Schönheit ist erst seit knapp drei Jahren

an den deutschen Baugewerkschulen eingeführt worden.
Ich erinnere mich, daß ich 1906 noch in Holzminden das
Fach »Formenlehre« zu behandeln halte und zwar bestand
dies in dem Beibringen romanischer und gotischer Einzel-
heiten, also etwa von Dreipässen, Fialen, Kreuzblumen usw.
Auf die Entstehung dieser Formen aus dem Ganzen heraus,
auf die Beziehung des Ganzen zum Grundriß konnte nicht
und durfte auch lehrplangemäß nicht eingegangen werden.
d Die tüchtigsten Schüler brachten dann das in der Formen-
lehre Gelernte an ihren Fassaden im Entwurf an. Es ent-
standen so jene gotischen Fassaden, deren Charakter sich
aus all den Einzelheiten zusammensetzte, die vom Sockel
bis zur Kreuzblume hinauf an einem echten gotischen Bau-
werk das Innere und die Konstruktion versinnbildlichen
sollen, hier aber gänzlich sinnlos an der Wandfläche des
Hauses saßen. o
n Solche nutzlose Kleinarbeit wurde damals aber nicht
bloß an Baugewerkschulen geleitet, sondern auch in anderer
Form an anderen Mittelschulen, wo beispielsweise in Ge-
schichte der Schüler Geschichtszahlen sich einpauken mußte
und Schlachtendaten, ohne daß er des Näheren auf Ursache,
 
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