KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU
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□ Es liegt auf der Hand, daß eine solche Entwicklung
nicht ohne Einfluß auf die Berufsverhältnisse bleiben kann
und sie hat in der Tat wesentliche Veränderungen hervor-
gerufen. Der einzelne Zeichner halte früher, als er das
ganze Gebiet des zeichnerischen Schaffens beherrschen
mußte, eine größere Bedeutung für den Gewerbebetrieb
als heute. Dann macht vor allem die Verschiedenarlig-
keit der persönlichen Leistungen, die um so größer ist,
je universeller die Anforderungen sind, dort einer immer
größeren Gleichförmigkeit Platz, wo die scharf gegliederte
Teilarbeit Bürgerrecht erworben hat. Der Einzelne ist
leichter auswechselbar und durch einen anderen xbeliebigen
schnell zu ersetzen. Dementsprechend sinkt die Bewertung
der Arbeit und das wirtschaftliche Niveau des ganzen
Standes. Die Arbeit wird monoton, die innere Befriedigung
am Schaffen geht verloren. Es ist daher die vornehmste
Aufgabe der Organisation, diesen Schädigungen durch orga-
nisierte Gewerkschaftsarbeit entgegenzuwirken. Die wirt-
schaftliche Lage muß gehoben und die zur geistigen Er-
schlaffung führende Gehaltlosigkeit des beruflichen Schaffens
ausgeglichen werden durch gesteigerte Bildungsarbeit. □
a Der Verbandstag erkannte an, daß es verkehrt sei, die
Arbeitsteilung prinzipiell zu verwerfen, aber es sei Pflicht
der Zeichner selbst, ihre Schäden mit Hilfe der Organi-
sation zu beseitigen. — Im Anschluß daran fand auch eine
Besprechung der Fmuenfrage des Berufes statt. Trotzdem
alljährlich auf den Kunstgewerbe- und ähnlichen Schulen
Hunderte von Zeichnerinnen ausgebildet werden, sind sie
in den Zeichenateliers nur ganz spärlich zu finden. So
wurde z. B. durch die Statistik von 1911 festgestellt, daß
bei 825 kunstgewerblichen Firmen neben 3668 Zeichnern
nur 21 Zeichnerinnen angestellt sind! Außer ihnen wurden
jedoch noch 42 zeichnerische Hilfsarbeiterinnen zum Fond-
tupfen, Finisieren und dergleichen verwendet. Der über-
großen Mehrzahl der auf den Schulen ausgebildeten Damen
gelingt es niemals, in den Zeichnerberuf einzutreten. Sie
betreiben ihn meist nur kurze Zeit — teils erzwungen,
teils freiwillig — in dilettantischer Weise und tragen da-
durch sehr viel mit zur Verschlechterung der Berufs-
verhältnisse bei. Trotzdem erklärte der Verbandstag, daß es
unrecht wäre, gegen die Einbeziehung weiblicher Arbeits-
kräfte Front zu machen. Er erachtete es aber für notwendig,
daß sich auch die Zeichnerinnen der Organisation an-
schließen, und daß vor allem dem Grundsätze: »Für gleiche
Leistungen — gleichen Lohn« Geltung verschafft werden
müsse. □
□ Sodann hielt H. Weiß-Berlin einen Vortrag über »Die
gewerkschaftlichen Kampfesmittel der Angestellten und ihr
Verhältnis zur Arbeiterbewegung«. Er stellte fest, daß sich
heute die Kunstgewerbezeichner in einem ähnlichen Arbeits-
verhältnis befinden, wie etwa die Techniker und Ingenieure,
und daß sich infolgedessen auch ihre organisatorische Be-
tätigung in ähnlichen Bahnen bewegen müsse, wie die
des Bundes der technisch-industriellen Beamten mit dem
der Verband der Kunstgewerbezeichner in enger Verbindung
steht. Dagegen sei den Angestellten der organisatorische
Zusammenschluß mit der gewerkschaftlichen Arbeiter-
bewegung trotz weitgehender Interessengemeinschaft nicht
zu empfehlen. Er besprach im Einzelnen alle Mittel, die
von der Organisation benutzt werden können, um die Lage
der Zeichner zu verbessern, und betonte, daß scharfe
Inleressenkonflikte mit einzelnen, wenig einsichtigen Arbeit-
gebern wohl kaum zu verhindern seien, weil eine wirkliche
Gesundung der Berufsverhältnisse nur noch durch das
energische Vorgehen der Angestellten zu erreichen sei. —
Der Verbandstag erklärte sich nach sehr eingehender Dis-
kussion mit diesen Ausführungen einverstanden. o
□ Es wurden ferner noch Referate gehalten von A. van
den Berg-Krefeld über »Sind im Zeichnerberuf Tarifverträge
möglich?« und von M. Steinert-Berlin über »Die Pensions-
versicherung der Privatangestellten und die Zeichnen. Es
würde zu weit führen, alle Beratungsgegenstände der Tages-
ordnung ausführlich zu behandeln. Erwähnt sei noch, daß
der Verbandstag beschloß, Ende Juni 1912 nach München
einen Allgemeinen Zeichnertag einzuberufen. Dort sollen
einmal die künstlerischen Berufsprobleme eingehend er-
örtert werden. Die Tagung verspricht sehr interessant zu
werden. □
□ Der Verband der Kunstgewerbezeiclmer hat gegenwärtig
2300 Mitglieder. Seine Einnahmen und Ausgaben erreichten
im Jahre 1911 die Höhe von 53362 M. An Unterstützungen
wurden im gleichen Jahre 8200 M. ausgezahlt, durch den
unentgeltlichen Rechtsschutz wurden 27 Prozesse geführt,
wodurch rund 2200 M. an Gehältern und zahlreiche Zeug-
nisse, Aushändigungen von Zeichnungen und dergleichen
erstritten wurden. Der Stellennachweis besetzte 105 Va-
kanzen. Auf gewerkschaftlichem Gebiete konnte der Ver-
band auf eine schöne Reihe von Erfolgen hinweisen. □
□ Die Organisation der Kunstgewerbezeichner erweist sich
damit als ein wichtiger Faktor im deutschen Kunstgewerbe,
der die Beachtung aller derjenigen verdient, die an der
Hebung unseres Kunstgewerbes interessiert sind. h. w.
der „ Osram-Qraßifampe“
iß faß unzerßrecßficß.
70° j0 Siromerfparnis.
Weißes, rußiges ßicßt.
Hur ecßi mit dem Hamen „OSRAM“
Zißeraff erßättficßl %
Tluergefefffcßaft @ Berfin ö. 17.
Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwag, Berlin-Zehlendorf
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf. g. m. b. h. in Leipzig
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□ Es liegt auf der Hand, daß eine solche Entwicklung
nicht ohne Einfluß auf die Berufsverhältnisse bleiben kann
und sie hat in der Tat wesentliche Veränderungen hervor-
gerufen. Der einzelne Zeichner halte früher, als er das
ganze Gebiet des zeichnerischen Schaffens beherrschen
mußte, eine größere Bedeutung für den Gewerbebetrieb
als heute. Dann macht vor allem die Verschiedenarlig-
keit der persönlichen Leistungen, die um so größer ist,
je universeller die Anforderungen sind, dort einer immer
größeren Gleichförmigkeit Platz, wo die scharf gegliederte
Teilarbeit Bürgerrecht erworben hat. Der Einzelne ist
leichter auswechselbar und durch einen anderen xbeliebigen
schnell zu ersetzen. Dementsprechend sinkt die Bewertung
der Arbeit und das wirtschaftliche Niveau des ganzen
Standes. Die Arbeit wird monoton, die innere Befriedigung
am Schaffen geht verloren. Es ist daher die vornehmste
Aufgabe der Organisation, diesen Schädigungen durch orga-
nisierte Gewerkschaftsarbeit entgegenzuwirken. Die wirt-
schaftliche Lage muß gehoben und die zur geistigen Er-
schlaffung führende Gehaltlosigkeit des beruflichen Schaffens
ausgeglichen werden durch gesteigerte Bildungsarbeit. □
a Der Verbandstag erkannte an, daß es verkehrt sei, die
Arbeitsteilung prinzipiell zu verwerfen, aber es sei Pflicht
der Zeichner selbst, ihre Schäden mit Hilfe der Organi-
sation zu beseitigen. — Im Anschluß daran fand auch eine
Besprechung der Fmuenfrage des Berufes statt. Trotzdem
alljährlich auf den Kunstgewerbe- und ähnlichen Schulen
Hunderte von Zeichnerinnen ausgebildet werden, sind sie
in den Zeichenateliers nur ganz spärlich zu finden. So
wurde z. B. durch die Statistik von 1911 festgestellt, daß
bei 825 kunstgewerblichen Firmen neben 3668 Zeichnern
nur 21 Zeichnerinnen angestellt sind! Außer ihnen wurden
jedoch noch 42 zeichnerische Hilfsarbeiterinnen zum Fond-
tupfen, Finisieren und dergleichen verwendet. Der über-
großen Mehrzahl der auf den Schulen ausgebildeten Damen
gelingt es niemals, in den Zeichnerberuf einzutreten. Sie
betreiben ihn meist nur kurze Zeit — teils erzwungen,
teils freiwillig — in dilettantischer Weise und tragen da-
durch sehr viel mit zur Verschlechterung der Berufs-
verhältnisse bei. Trotzdem erklärte der Verbandstag, daß es
unrecht wäre, gegen die Einbeziehung weiblicher Arbeits-
kräfte Front zu machen. Er erachtete es aber für notwendig,
daß sich auch die Zeichnerinnen der Organisation an-
schließen, und daß vor allem dem Grundsätze: »Für gleiche
Leistungen — gleichen Lohn« Geltung verschafft werden
müsse. □
□ Sodann hielt H. Weiß-Berlin einen Vortrag über »Die
gewerkschaftlichen Kampfesmittel der Angestellten und ihr
Verhältnis zur Arbeiterbewegung«. Er stellte fest, daß sich
heute die Kunstgewerbezeichner in einem ähnlichen Arbeits-
verhältnis befinden, wie etwa die Techniker und Ingenieure,
und daß sich infolgedessen auch ihre organisatorische Be-
tätigung in ähnlichen Bahnen bewegen müsse, wie die
des Bundes der technisch-industriellen Beamten mit dem
der Verband der Kunstgewerbezeichner in enger Verbindung
steht. Dagegen sei den Angestellten der organisatorische
Zusammenschluß mit der gewerkschaftlichen Arbeiter-
bewegung trotz weitgehender Interessengemeinschaft nicht
zu empfehlen. Er besprach im Einzelnen alle Mittel, die
von der Organisation benutzt werden können, um die Lage
der Zeichner zu verbessern, und betonte, daß scharfe
Inleressenkonflikte mit einzelnen, wenig einsichtigen Arbeit-
gebern wohl kaum zu verhindern seien, weil eine wirkliche
Gesundung der Berufsverhältnisse nur noch durch das
energische Vorgehen der Angestellten zu erreichen sei. —
Der Verbandstag erklärte sich nach sehr eingehender Dis-
kussion mit diesen Ausführungen einverstanden. o
□ Es wurden ferner noch Referate gehalten von A. van
den Berg-Krefeld über »Sind im Zeichnerberuf Tarifverträge
möglich?« und von M. Steinert-Berlin über »Die Pensions-
versicherung der Privatangestellten und die Zeichnen. Es
würde zu weit führen, alle Beratungsgegenstände der Tages-
ordnung ausführlich zu behandeln. Erwähnt sei noch, daß
der Verbandstag beschloß, Ende Juni 1912 nach München
einen Allgemeinen Zeichnertag einzuberufen. Dort sollen
einmal die künstlerischen Berufsprobleme eingehend er-
örtert werden. Die Tagung verspricht sehr interessant zu
werden. □
□ Der Verband der Kunstgewerbezeiclmer hat gegenwärtig
2300 Mitglieder. Seine Einnahmen und Ausgaben erreichten
im Jahre 1911 die Höhe von 53362 M. An Unterstützungen
wurden im gleichen Jahre 8200 M. ausgezahlt, durch den
unentgeltlichen Rechtsschutz wurden 27 Prozesse geführt,
wodurch rund 2200 M. an Gehältern und zahlreiche Zeug-
nisse, Aushändigungen von Zeichnungen und dergleichen
erstritten wurden. Der Stellennachweis besetzte 105 Va-
kanzen. Auf gewerkschaftlichem Gebiete konnte der Ver-
band auf eine schöne Reihe von Erfolgen hinweisen. □
□ Die Organisation der Kunstgewerbezeichner erweist sich
damit als ein wichtiger Faktor im deutschen Kunstgewerbe,
der die Beachtung aller derjenigen verdient, die an der
Hebung unseres Kunstgewerbes interessiert sind. h. w.
der „ Osram-Qraßifampe“
iß faß unzerßrecßficß.
70° j0 Siromerfparnis.
Weißes, rußiges ßicßt.
Hur ecßi mit dem Hamen „OSRAM“
Zißeraff erßättficßl %
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Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwag, Berlin-Zehlendorf
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf. g. m. b. h. in Leipzig