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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Bruck, Robert: Neuzeitliche Instandsetzung von Schnitzaltären
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0215

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NEUZEITLICHE INSTANDSETZUNG VON SCHNITZALTÄREN

Fäulnis einem vorzeitigen Zerfalle entgegenzugehen,
den man durch pflegliche Behandlung auf lange Jahr-
zehnte hinaus hätte aufhalten können. Eine solche
Bereitwilligkeit aber kommt ohne Zweifel dem Ideale
der Denkmalpflege entgegen, nämlich die Denkmäler
in gesundem Zustande an dem Orte und an der
Stelle dauernd zu erhalten, für die sie einst geschaffen
und gestiftet worden sind, weil sie nur dann in ihrer
Wirkung bei dem Beschauer die schon von ihrem
Verfertiger beabsichtigte Stimmung auslösen können,
n Soll ein alter Schnitzaltar instand gesetzt und in
der Kirche zur Aufstellung gebracht werden, so tritt
zuerst die Frage auf: Sollen die fehlenden Teile der
Schnitzerei, die abgeblätterte Farbe und Vergoldung
ergänzt werden und wie soll das geschehen? Käme
der Altar in ein Museum, so dürfte darüber kein
Zweifel herrschen, weil der Denkmalpfleger sich darauf
beschränken wird, den Bestand zu sichern. Dahin
gehören Reinigung, Imprägnierung gegen Holzwurm
und Fäulnis, Festigung der abblätternden Bemalung
und ähnliche Maßnahmen. Soll der Altar aber einer
Kirche zum Schmucke gereichen, so wird der Denkmal-
pfleger mit diesen Vorkehrungen nicht auskommen.
Die Gemeinde einer kleinen Stadt oder eines Dorfes
wird die fehlenden Teile oder die zerstörte Bemalung
oder Vergoldung als unschön störend empfinden.
Man ist in solchen Fällen gezwungen, zu ergänzen.
Weiß man genau, wie die fehlenden kleineren Teile
aussahen, oder kann man sich diese aus noch vor-
handenen Resten des früheren Bestandes, z. B. beim
Rankenwerke an gotischen Altären, rekonstruieren, so
ist die Arbeit, hat man geübte Schnitzer und Maler
zur Verfügung, eine leichte. Viel schwerer ist aber
die Aufgabe, wenn man nicht mehr ersehen kann,
wie der Altar ursprünglich aussah oder wenn wesent-
liche Teile desselben fehlen. Da hat man bisher
meistens in getreuer Nachahmung eines ähnlichen
Werkes aus der gleichen Zeit der Entstehung wie der
zu behandelnde Altar die fehlenden Teile ergänzt. □
□ Die Königliche Kommission zur Erhaltung der
Kunstdenkmäler im Königreiche Sachsen hat nun vor
kurzem zum ersten Male in einem solchen Falle einen
neuen Weg eingeschlagen. Es handelte sich um Er-
gänzungen an Altären aus Dippoldiswalde und Höcken-
dorf. Die Kommission ging von der Überzeugung
aus, daß es wohl möglich sei, die Ergänzungen in
neuzeitlichen Formen, die die Zeit ihrer Entstehung
deutlich erweisen, herzustellen und doch dabei mit
den erhaltenen alten Teilen eine künstlerische Einheit
zu erzielen. Man wollte demnach auch bei der In-
standsetzung der Schnitzaltäre endlich von der Nach-
ahmung alter Stilarten frei kommen. Die Kommission
beabsichtigte gleichzeitig, damit die allerorts sehr im
argen liegende Holzschnitzerei zu unterstützen und
durch die neuartige Aufgabe die noch vorhandenen
tüchtigen Meister auf die ganz verlassene Technik der
vergoldeten und bemalten Holzplastik wieder hinzu-
weisen. □
o Auf Anregung der Kommission wurden zu diesem
Zwecke mit Unterstützung des Königl. Ministeriums
des Innern und des Evangelisch-Lutherischen Landes-

konsistoriums von der Sächsischen Landesstelle für
Kunstgewerbe zwei Wettbewerbe ausgeschrieben, die
wegen ihrer Bedeutung für die neuzeitliche Denkmal-
pflege hier im Auszuge wiedergegeben werden. □
»i. Der Altar zu Höckendorf.
□ Es ist die Aufgabe gestellt, auf den spätgotischen
Altar der Kirche zu Höckendorf bei Edle Krone einen
Aufbau zu schaffen an Stelle des durch Wurmfraß
und schlechte Restaurierung zerstörten früheren. Dabei
sind zu verwenden die derzeit im Königl. Kunstge-
werbemuseum aufgestellten alten Heiligenfiguren und
die kleinen Engelgestalten. □
2. Der Altar zu Dippoldiswalde,
a Die Aufgabe besteht darin, die im Königl. Kunst-
gewerbemuseum aufgestellten Reste eines aus der
ersten Zeit der Renaissance stammenden Altares zu
ergänzen. Das Ganze ist dem kirchlichen Inhalte
nach wieder zur Einheitlichkeit zu bringen. □
Grundsätze.
n l. Die alten Teile, die an beiden Altären unge-
schmälert verwendet werden müssen (abgesehen von
den späteren Ergänzungen am Dippoldiswalder Altar),
werden von der Königl. Kommission zur Erhaltung
der Kunstdenkmäler in ihren ursprünglichen Zustand
versetzt, d. h. ergänzt, über Kreidegrund neu vergoldet
und bemalt werden. Die neuen Teile sollen nicht
im Stile der alten, wohl aber so gestaltet werden, daß
sie mit diesen eine künstlerische Einheit bilden. Die
modernen Ergänzungen soll man als solche erkennen.
Die Auslührung hat in derselben Technik zu erfolgen,
wie die der alten Altäre. □
□ 2. Es sind einzureichen Skizzen im Modell oder
in Zeichnung im Maßstab von 1:5, sowie Einzel-
formen in Naturgröße. □
□ 3. Am Wettbewerbe dürfen sich in Sachsen lebende
oder aus Sachsen gebürtige Künstler und Kunstgewerbler
beteiligen. □
□ 4. Die beiden Preise bestehen im Übertragen des
Auftrags für Ausführung der Skizzen und zwar für
den Aufbau auf dem Höckendorfer Altar 2000 Mk.;
für die Ergänzung des Dippoldiswalder Altars 2000 Mk.
□ Der Preisträger verpflichtet sich, die Arbeiten zu
diesem Preise sachgemäß auszuführen. Außerdem ist
das Preisgericht berechtigt, lobende Anerkennungen
zu erteilen.« o
□ Es waren zehn Entwürfe von meist befriedigender
Arbeit eingegangen, welche im Kunstgewerbemuseum
ausgestellt wurden. Die beiden preisgekrönten Arbeiten
für Höckendorf und Dippoldiswalde stammen von
dem Dresdner Bildhauer Friedrich Burghardt. Der
Altar von Höckendorf hat, kürzlich vollendet,
in der Kirche wieder seinen alten Platz bekommen.
Die hier veröffentlichten Abbildungen des Altares vor
und nach seiner Instandsetzung dürften beweisen, daß
sich die Königl. Kommission zur Erhaltung der Kunst-
denkmäler im Königreiche Sachsen in ihrer Voraus-
setzung nicht getäuscht hat und daß die von ihr
veranstalteten Maßnahmen anregend und fruchtbringend
wirken werden. □
 
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