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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0229

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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Feststellung der Abonnenten sich mit den einzelnen Ver-
einen in Verbindung zu setzen. Schulz’ Verwarnung möchte
doch ja gehört werden. Der Wert der Flugschriften bleibt
außer Diskussion — aber die Belastung der Vereine ist
bedenklich, ist unnötig. Grade genug zersplittern sich durch
solche Unternehmungen die Kräfte. Wenn ein ideales
Unternehmen, wie »Die Brücke«, die ja die Kräfte kon-
zentrieren will, den Druck und Vertrieb der Flugschriften
übernehmen wollte, dann wär’s gut, wär’s ungefährlich für
die Vereine, nützlich für die Sache. — Der Punkt »Wett-
bewerbswesen« wird wieder zurückgestellt. — Uber die Tätig-
keit der Kommission für Submissionswesen referiert Haupt-
Hannover. Der Entwurf des Hansabundes sei ähnlich dem
des preußischen Abgeordnetenhauses, im allgemeinen sehr
begrüßenswert. Wichtig ist der neue entscheidende Satz
»Der Zuschlag darf nur zu einem angemessenen Preise er-
folgen«. Das setzt die vorherige Befragung von Sachver-
ständigen voraus. Auch seien die Bestimmungen erfreulich,
die das Kunstgewerbe möglichst vom Submissionswesen
befreien und den Generalunternehmer mit seinen schweren
wirtschaftlichen Gefahren ausschließen. Nur müßte noch
eine genauere Fassung der Bestimmung verlangt werden,
nach der alle notwendigen Nebenleistungen (also Entwürfe,
Modelle usw.) zu ersetzen seien. Jede Nebenleistung, die
nötig sei, müsse genannt werden. Die Resolution findet
einstimmige Annahme. Ein Reichsgesetz solle, lieber als
Landesgesetze, baldmöglichst das Submissionswesen regeln.
Prof. Lehnerts Referat über die Friedhofskommission hört
sich sehr erfreulich an. Allerlei Erfolge in Dresden, Ham-
burg, Görlitz, Kaiserslautern, Königsberg i. Pr., Bremen,
Berlin, Karlsruhe, Breslau, München werden gerühmt. Eine
Resolution wünscht die lebhafte Fortsetzung aller Bemü-
hungen bei Behörden, durch Musterausstellungen, Beratungs-
stellen u. a. Bertsch sagt, man solle nicht alle örtlichen
Gewohnheiten respektieren, es gäb auch recht schlechte.
In der Resolution wird daraufhin nur der Schutz »historisch
begründeter« Gewohnheiten verlangt. Lustig sind die Bei-
spiele, die Bruckmann-Heilbronn in seinem Referat über
Ehrengeschenke bringt. Da gab’s viel zu lachen über an-
schaulich geschilderte Geschmacklosigkeiten, die leider
riesige Summen verschlingen zu ungunsten des Kunsthand-
werks und der Künstler. Wir kennen das Gebiet genug
— wenn nur die Besserung durch Belehrung so leicht sich
durchführen ließe. Bruckmann sagt, der Künstler von
großem Namen könne sich wohl gegen so unkünstlerische
Anträge und Aufträge wehren — aber nicht der Kunst-
handwerker und Industrielle. Aber so giebt’s also sicher
immer wenigstens einen Verlust für die Kunst. Bertsch
erzählte, 1908 hätten in München Offiziere und Adelige
kleine künstlerische Statuetten als Ehrenpreise für Sport-
leistungen entrüstet zurückgewiesen, als vollständig un-
würdige Ehrung! Solche Dinge müssen, wie die Resolution
des Referenten fordert, zur öffentlichen Diskussion gestellt
werden. Bruckmann und Groß wollen Thesen aufstellen.
Der Humor und eine ausgiebige Möglichkeit des Ver-
gleichs von Schund und Güte wird hier das beste ver-
mögen. Man vergesse nicht Pazaureks verdienstvolle Aus-
stellung im Stuttgarter Landesgewerbemuseum, man stelle
humoristischen Rednern solche Gegenstände für Vorträge
in Sportkreisen zur Verfügung. Flugschriften, ad hoc ge-
schaffen, werden ja doch nicht von denen gelesen, die es
angeht, es müßten denn Aufschriften gewählt werden, die
die Freunde des Kitsches reizt. — Dr. Wolffs Referat über
die Weltausstellungen bringt nicht viel Neues: Pfeifers
Feststellungen bleiben bestehen. Wirtschaftlicher Gewinn
aus Weltausstellungen kann kaum ein deutscher Aussteller
nachweisen. Muthesius’ Rat, auf solchen Ausstellungen
nur auf den Qualitätserfolg stolz zu sein, nicht etwa nur

auf Bestellungen auszugehen, wird an die Staaten immer
höhere Anfordernngen stellen lassen. Wolffs und Oster-
rieths Warnungen vor Beschickung der Weltausstellung in
San Francisco werden wohl alle Aussteller schrecken. Ge-
währt doch das amerikanische Urheberrecht dem ausstellen-
den Kunsthandwerker nicht den geringsten Schutz gegen
Nachbildung. Und eine Änderung des Gesetzes ist, wie
Muthesius erklärt, kaum, höchstens durch ein gemeinsames
Vorgehen mit Frankreich, zu erwarten. — Das Thema des
Stadtbauinspektors Labes » Über dieWiederbelebung und Fort-
entwicklung deutscher Eigenart in Baukunst und Kunst-
gewerbe« war nicht geeignet für diese Tagung. Theoretische
Erörterungen solcher Art — obendrein wirkungslos vor-
getragen — sollte man hier weglassen, noch dazu nach
einer Reihe praktischer Feststellungen und Anregungen.
Wozu das? Wenn Haupt-Hannover nicht noch die Aus-
führungen unterstützt hätte, wäre selbst Bestes aus dem
Referat fast ungehört geblieben. Wäre nicht schlimm ge-
wesen, denn diese Gesichtspunkte führen uns schon lange
und wer nicht von selbst schon den Wert germanischer
Rassekunst erkannt, wer nicht längst der Überschätzung
der Antike überdrüssig geworden, würde ja doch nicht
durch die Verlesung des Labesschen Manuskriptes irgend-
wie überzeugt oder gewonnen worden sein. Bielenberg-
Chemnitz wünscht nachträglich, es möchte auf eine gegen-
seitige größere Unterstützung der Kunstgewerbevereine
und der Stadtmuseen hingearbeitet werden. — Da Krefelds
Einladung verschoben wurde, kommen die Einladungen
Leipzigs und Breslaus zur Sprache und Wage. Schließlich
siegten die Verlockungen des Hofphotographen Goetz-
Breslau — da das interessante Leipzig sowieso 1913 viel
Gäste aus unseren Kreisen sehen wird. Die Vertreter von
35 Vereinen sind für Breslau als nächsten Tagungsort. □
Dr. E. W. Bredt.
n München. Deutscher Kunstgewerbetag 1912. 25. Juni.
So wie der Delegiertentag von Muthesius, unter Lehnerts
Assistenz, vortrefflich geleitet. — Die ruhige, phrasen-
lose, pathosfeindliche Art der Führer berührte die Süd-
deutschen sehr sympathisch. Lehnerts rastloses und um-
sichtiges Bemühen für alle Referenten des Tages — auch
die Referenten der Referenten — sei dankbarst anerkannt.
Für Geselligkeit und Unterhaltung hatte der Münchener
Verein (Präsident Prof. Pfeifer mit Bradl und Wenig, Ringer,
Düll, Petzold, der ganzen Familie Steinicken, Hofgoldschmied
Heiden u. a.) in einer Weise gesorgt, die jeden herzlich
erfreut haben dürfte. Der Abend in den Festräumen des
Vereins, das Kellerfest am Nockherberg gehören zum
Münchener lustigen,echten Kunstgewerbe: Reicher, üppiger,
effektvoller mag’s anderwärts gemacht werden, unbefangener,
zwangloser, lustiger nicht. — Die Verhandlungen am Haupt-
tag fanden im Hauptrestaurant der Gewerbeschau statt —
immer wieder gestört durch ungebetene Äußerungen des
Wirtschaftsbetriebs hinter den Türen. Das Verfolgen der
Vorträge war oft genug unmöglich. Muthesius begrüßte
herzlich Justus Brinckmann als Begründer der Tagungen
und rühmte sehr schmeichelnd und geschickt die Gewerbe-
schau. Die Liste der Vertreter von Staaten und Korpo-
rationen ist schier endlos. Die Reden von Meineis vom
bayer. Staatsministerium, vom OberbürgermeisterMünchens
v. Borscht, vom Unterstaatssekretär von Mayr, von Theod.
Fischer für die Technische Hochschule, vom Präsidenten
der Handelskammer München zeigen deutlich, daß diese
Stellen und Behörden in München doch tatsächlich in viel
engerem Verhältnis zum Kunstgewerbe stehen als ander-
wärts. War doch Münchens Oberhaupt vorher Sekretär
der Kunstgewerbeausstellung 1888 — war Unterstaats-
sekretär von Mayr zweiter Präsident des Münchener Kunst-
gewerbevereins. Hatte doch tags zuvor der Oberbürger-
 
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