Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

DOI Artikel:
Westheim, Paul: Friedhofsbetrachtungen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0235

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
OOQ
zzo

EINE FRIEDHOFKUNSTAUSSTELLUNG IN HAMBURG


paar annehmbare Einzelstücke innerhalb einer Anlage,
die von vornherein jede künstlerische Möglichkeit
ausschließt. Es ist ja erfreulich, daß sich jetzt so
viele Hände regen, um in Wiesbaden wie in Düsseldorf,
in München wie in Bremen und Berlin ein paar
erträgliche Typen zu formen, indessen diese ganze
Agitation zerflattert, wenn es nicht gelingt, auf den
Friedhöfen die rechten Vorbedingungen zu schaffen,
d. h. eine Aufteilung der Gräberfelder nach einem
großzügigen und einheitlichen Plan vorzunehmen, o
□ Statt der Geometer, die die Gräber wie eine un-
ordentliche Spargelzucht aneinander reihten, müssen
— wie es in München bereits versucht worden ist —
der Architekt und der Gartenarchitekt die bestimmenden
Faktoren werden. Sie werden zunächst einmal brechen
mit einer Gleichheit, die nur dem Scheine nach eine
Gleichheit ist. Wenn man nach Belieben kleine und
große Parzellen, Erd- und Familiengräber verkauft,
dann braucht man auch nicht zu scheuen vor einer
Aufteilung des Geländes in verschiedenartige Kom-
partimente, denen der Einzelne je nach dem in Aussicht
genommenen Denkstein zugewiesen wird. Innerhalb
einer solchen Abteilung wird man logischerweise den
individuellen Spielraum einengen zugunsten eines
Typus, der durch die Wiederkehr auf einer Anzahl
benachbarter Felder einen Rhythmus ergibt, wie wir

ihn von den alten Totenhöfen her kennen. Eine
solche Gruppierung verlangt weiter eine organische
Geländegliederung. Der Architekt und der Gärtner
werden sich zusammenfinden in der Notwendigkeit,
aus Stein- und Pflanzenmassen Raumdispositionen zu
entwickeln. Man wird wie in einer Großstadtstraße,
und besser wie in einer Großstadtstraße, ein Neben-
einanderwohnen der Toten organisieren, das auch
ästhetisch betrachtet, ein friedliches sein wird. □
a Also, die Voraussetzungen schaffen für das gute
Grabmal, wäre die eigentliche Losung. Damit sind
zugleich die Voraussetzungen gegeben zu einer ein-
drucksvollen Friedhofsarchitektur. Sie — auf die hier
nicht weiter eingegangen werden soll —, wäre in
erster Linie frei zu machen von einem Stil-Aberglauben
der Orthodoxie, die das Sakrale lediglich in gotischem
oder romanischem Gemäuer zu erkennen vermeint.
Es liegt sicherlich auch im Interesse der kirchlichen
Machthaber, sich der Zeitströmung nicht allzu hart-
näckig zu verschließen und als Maskerade abzulegen,
was weite Volksschichten nicht mehr anders zu emp-
finden vermögen. Bestrebungen, wie sie von den
Kreis, Högg, Fischer, Grässel usw. dargeboten, wie
sie von einem Dr. Koch unterstützt werden, sind ge-
wiß alles andere als gefahrdrohend. □
* *
*
 
Annotationen