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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Westheim, Paul: Friedhofsbetrachtungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0237

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EINE FRIEDHOFAUSSTELLUNG IN HAMBURG

□ Die Durchführung des preußischen Feuerbestattungs-
gesetzes stellt uns vor neue, noch ungelöste Aufgaben.
Die Urnenhallen und Krematorien, die nun gebaut
werden müssen, sind nicht belastet mit einer schlechten
Konvention; für die Urnenher- und aufstellung hat
sich zum Glück ebenfalls noch nicht ein schlechtes
Schema herausgebildet, das zu überwinden wäre. Es
wird noch eine Weile dauern, bis das Publikum so
weit ist, um den Gedanken der Feuerbestattung so
modern aufzufassen, wie er tatsächlich ist. Sieht man
jene bis jetzt bevorzugten Urnentypen, die sentimen-
talisch-spielerisch geknetet sind wie Bowlentöpfe, sieht
man ferner die Urnennischen drapiert mit elenden
Stoffblumenarrangements — ein Gang nach der Ber-
liner Urnenhalle am Wedding zeigt das in aller
Drastik -—, so könnte einem für die Zukunft bange
werden. In diese Dinge wird der ganze Ernst kommen
müssen, der auch einem noch so modernen Bestattungs-
verfahren nicht fehlen darf. Mit diesem Ernst wird sich
zweifellos auch aus unserer Empfindungswelt heraus
eine Symbolik entwickeln, die über dieses allzu kahle,
allzu nackte Protestlertum hinweghilft. Der Oppo-
sitionsgeist, der die liturgischen Zeichen umgehen
möchte, braucht keineswegs formlos zu sein. Man
denke nur an das Zeitalter des Rationalismus, wo
man statt der Kreuze edel geformte Urnen auf die
Gräber stellte, wo man als Symbol der ewigen Wieder-
kehr die sich in den Schwanz beißende Schlange er-
fand, wo man sich nicht scheute, aus der Antike den
die Fackel senkenden Zwillingsbruder des Schlafes
zu übernehmen. Damals ist so mancherlei entwickelt
worden, was uns bei unseren Versuchen als Finger-
zeig dienen könnte. Ich möchte keineswegs einer

Nachahmung dieser Dinge das Wort reden, allein ich
sehe nicht nicht ein, warum wir uns von jenen Denk-
malen nicht belehren lassen sollten, daß wir bei der
ja immerhin beschränkten Aufstellung von Urnen im
Freien getrost zu einem eindrucksvolleren Format
übergehen dürften. Warum sollten wir, wo wir doch
nicht mehr an den Begräbnisplatz gebunden sind, solch
dekorative Plastiken nicht anordnen in Reihen ähnlich
den Hermen, die den damaligen Gärten Richtungs-
dispositionen gaben? Warum sollten wir ein so ge-
gliedertes Gelände nicht umrahmen mit Kreuzgängen,
die in rhythmischer Folge weitere Urnen aufnehmen
könnten? Dummheiten, wie etwa eine Urne in der
Form eines Bienenkorbes — sie ist abgebildet in dem
ausgezeichneten Grabmalswerk von Josef Dernjac —
können wir uns ja als abschreckende Gegenbeispiele
merken. Wir wollen in diesen Dingen nicht allzu
hochmütig sein, denn das jetzt übliche Verfahren, die
einzelnen Urnen wie die Bücher einer Bibliothek die
Wand entlang zu stellen, wirkt auf den, der es irgendwo
einmal durchgeführt gesehen, einigermaßen entmuti-
gend. Über kurz oder lang wird man es wohl aufgeben
müssen, eine kahle und öde Halle wie die Schauwand
eines Museums mit Aschenresten zu bepflastern. Viel-
leicht begibt man sich dann mit diesen Urnen in das
sicherlich stimmungsvollere Zwielicht unterhalb des
Erdbodens. Man legt, wie William Müller es in Berlin
versucht hat, lang gedehnte, in Nischen und Gängen
abgeteilte Kellergewölbe an, läßt das Gruftartige mit
seiner dumpfen Schwere auf das Gemüt wirken, schafft
mit einem Wort einen neuen Kult, der das Ecce homo
auf seine Art den Sinnen kündet. o


Entwurf: H. Klugt, Ausführung in Kunststein, Modell: getönter Gips. Entw. u. Ausf.: H. Wessely, Material: Steinzeug
Friedhofkunstausstellung in Hamburg
 
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