Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

DOI article:
Kunstgewerbliche Rundschau
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0251

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

244

Aufgaben, die eigentlich eine vernünftige Bauordnung zu
lösen hätte. Denn »Bauordnung« ist nicht nur, darüber
zu wachen, daß keiner einen Zentimeter vor oder hinter
die Fluchtlinie baut, daß keiner ohne obrigkeitliche Er-
laubnis einen Schornstein aufführt — »Bauordnung« ist viel-
mehr, die gebaute Stadt zu einem organisch geordneten
Ganzen zusammenwachsen zu lassen, zu verhüten, daß es
ein Chaos werde nicht nur in technischem, sondern auch
in künstlerischem Sinne. Weil aber eine solche wirkliche
Bauordnung sich weniger niederschreiben als künstlerisch
darstellen läßt, so kommt man hier und da zur Erkenntnis,
daß die geschriebene Bauordnung durch die gezeichnete
zu ergänzen oder zu ersetzen sei, daß die aufgeschlossenen
Stadtviertel nicht dem Zufall des Geschmacks bei dem
einzelnen Bauherrn überlassen werden, sondern ihre Gestalt
wie aus einem Guß von einem vorausschauenden und um-
sichtigen Städtebauer voraus bestimmt und gemodelt werde.
Wo das noch nicht so weit ist, da muß dem Paragraphen-
geflecht der Bauordnung das Bessere abgelistet werden
und zwar durch die Bauberatung. Hier und da ist es bau-
polizeiliche Vorschrift, daß die Bauberatung zuvor einge-
holt werden muß, an manchen Stellen ist sie auch nur —
sagen wir, moralischer Zwang. Was einige solcher Bau-
beratungsstellen aus Düsseldorf, Barmen, Brühl, Rheydt,
Solingen, Vohwinkel, Wetzlar von ihrem Arbeitsgebiet aus-
stellen, läßt die Wichtigkeit dieser Bauberatung erkennen.
Da hat der Bauherr sich die Fassade seines projektierten
Hauses zeichnen lassen und ergeht damit zur Bauberatungs-
stelle. Die Fassade ist so, wie sie ein braver Maurermeister
erfinden kann, »höchst modern« mit Verwendung der neue-
sten Zementstuckornamente. Oft schlechte Verteilung oder
willkürliche Größenunterschiede der Fenster, Schweizer-
giebel, Chinesentürme, unbegründete Anwendung von
bunten Klinkern, also die bekannte Art, die nicht ausstirbt,
weil sie vulgär ist. Die Bauberatung macht nun nicht etwa
einen dicken Strich durch die Zeichnung und schickt den
verstimmten Bauherrn wieder nach Hause — nein, sie be-
spricht mit dem Bauherrn den Plan und macht ihm eine
neue Zeichnung, die zu dem vielleicht umgeänderten Grund-
riß paßt, die auch technische Verbesserungen enthält und
die sich in die Umgebung des geplanten Hauses einordnen
kann. Manchmal genügt dieser eine Verbesserungsvorschlag
noch gar nicht, oft verbessert sich die Bauberatungsstelle
selbst noch einmal. Aber es wird berichtet, daß diese
Bauberatung in den meisten Fällen angenommen werde
und mancher Bauherr kann mit ihrer Hilfe besser, vielleicht
auch billiger, vor allem aber auch schöner bauen. Es ist
klar, daß eine solche Bauberatung sehr oft über die Fassaden-
gestaltung hinausgreifen muß, daß sie auch dem Bildhauer,
demTischler, dem Schlosser, dem Malerund demGlaser man-
chen Ratschlag wird geben müssen. — Vielleicht auch dem
Gärtner oder dem Gartenkünstler, der in der Abteilung
der städtischen Grünanlagen und der Friedhöfe eine große

Menge Anschauungsmaterial vorfinden wird. Die Pläne
der Grünanlagen zeigen, daß auf diesem Gebiete noch
sehr viele Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind, die
sich nicht nur darin erschöpfen, ob englischer oder ob
französischer Gartenstil. Denn auch die Anforderungen
an die Grünanlagen sind verschieden; hier sollen sie nichts
weiter sein als »Lungen der Großstadt« also baumreiche
Anlagen, dort sollen sie eine Perspektive eröffnen, unter-
brechen oder beleben, dort eine Linie durch Baureihen be-
tonen, dort Lärm- oder Staubfänger sein, der Repräsentation
dienen oder Erholungsspaziergängen oder sie sollen Spiel-
und Tummelplatz und Planschwiese nach englischem oder
amerikanischem Vorbild für die Kinder sein. Bei dieser
Mannigfaltigkeit der Aufgaben, die ein Grünplatz haben
soll, ist es nicht verwunderlich, wenn diese Abteilung
wenig einheitlich erscheint; immerhin gibt sie gerade in
dieser heterogenen Fülle dem Fachmann eine gute Gelegen-
heit, sich ein Urteil zu bilden. Ähnlich so wollen die Pläne
und Modelle der städtischen Friedhofsanlagen betrachtet
sein; es ist auch ein Musterfriedhof da, der aber etwas
stiefmütterlich in Anlage und Ausstellung behandelt ist. —
Die Städtebilder erschließen dem Fachmann und dem Laien,
jedem, der mit offenen Augen durch die Welt zu gehen
weiß, oft wunderhübsche Bilder aus rheinischen, westfälischen
und bergischen Städten; sie sind wenig bekannt, weil man
in diesen Städten und Städtchen gemeinhin nichts von alter
Städteschönheit vermutet. An der Hand dieser alten Städte-
bilder, die auch aus weiterem Umkreise zusammengestellt
sind, werden dann solche wichtige städtebaukünstlerische
Einzelfragen wie Platz und Monument oder die Kirche im
Stadtbild an Modellen, Versuchen, Beispielen und Gegen-
beispielen erläutert; es überzeugt ja nichts mehr, als eine
klug zusammengestellte Sammlung von Abbildungen wirk-
licher Dinge, die gut oder die nicht gut sind. Die Be-
dingnisse der schönen Wirkung eines Monumentes wurden
lange Zeit ebenso dem glücklichen Zufall untergeschoben,
wie die Umstände einer guten Akustik. Man begriff nicht,
daß die in diesen Dingen von einem fast instinktiven Gefühl
für das Richtige geleitet wurden; sie griffen selten fehl in
Material, Stil und Proportion; in unserer Zeit aber schien
das fast die Regel zu sein. Wir müssen versuchen, wieder
zu jener Gefühlsempfindlichkeit der Alten zu kommen, einst-
weilen müssen wir uns aber mit der Untersuchung jener
alten Wirkungen begnügen; die wissenschaftlich vergleichen-
den Untersuchungen sind mit jenen Abbildungen über Platz
und Monument oder die Kirche im Stadtbild illustriert und
es geht natürlich eine sehr nützliche Belehrung von ihnen
aus. — Dekorative Aufmachung zeigt die Ausstellung fast
nirgends; alle Hallen und die sonstigen für die Ausstellung
direkt errichteten Bauten sind fast primitiv einfach. Auch
der Kunstpalast leidet nicht an allzuprunkhafter oder
moderner Innenarchitektur. HUg.


Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwaci, Berlin-Zehlendorf
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf. g. m. b. h. in Leipzig
 
Annotationen