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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Septemberheft
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Bode, Wilhelm von: Die älteren Privatsammlungen in Berlin und die Bildung neuer Sammlungen nach dem Kriege 1870, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0043

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sondern sich die Entscheidung reselmäßig vorbehielten.
Das war fiir mich oft garnicht angenehm, da es dadurch
mancherlei Schwierigkeiten mit den fremden Händlern
gab, die ihre Kunstwerke ungern zur Ansicht schickten.
Ich habe dies aber selbst zu fördern gesucht, weil
die Sammler nur auf diese Weise ihren eigenen Ge-
schmack und nicht selten wirkliche Kennerschaft ent-
wickeln konnten. Einzelne Sammler haben aber ihre
Selbständigkeit uns gegenüber in deutlicher, gele-
genlich sogar in fast ablehnender Weise dokumentiert.
A d o 1 p h v o n Beckerath, der sich zwar früh
schon den Museen eng anschloß, aber als wesentiich
älterer sich stets als Protektor uns gegenüber fiihlte,
hat sich leider nie von leidenschaftlichem Massen-
sammeln und falscher Sparsamkeit abbringen lassen,
und daher die außerordentlich giinstigen Gclegenheiten,
die sich ihm schon in den siebziger Jahren boten, zum
Teil niclit in richtiger Weise ausgenutzt. Seine Samm-
lungen von Zeichnungen, Majoliken, Bronzen und ita-
lienischen Bildwerken wären sonst, bei Aufwendung
derselben Mittel, zwar weniger umfangreich, aber
wesentlich qualitätvoller geworden. Ein etwa gleich-
altriger Sammler, ausschließlich von Gemälden,
Adolph von Carstanjen, der aus Köln Anfang
der achtziger Jahre nach Berlin übersiedelte, verhielt
sich den Museen und ihren Beamten gegenüber gerade-
zu unfreundlich. Er hatte den größten Tcil seiner
Sammlung, ansehnliche Werke der meisten hollän-
dischen Großmeister, schon vor dem Kriege 1S70 in
London durch den bekannten aiten Kunsthändler John
Kieuwenhuis zusammengebracht, die er von Berlin aus
nocli durch einige glückliche Ankäufe primitiver
Ktinstler vermehrte. Unsern Erwerbungen gegentiber,
namentlich von friihen Italienern, war er meist schroff
ablehnend. Er betätigte das in einer von ihm fiir sehr
witzig gehaltenen Art, indem er mich bat, docli mit ihm
das neue Bild in der Galerie anzusehen. Dann stellte
er sich vor ein daneben hängendes altes Bild und
sagte: „Da haben Sie wirklich ein herrliches Bild er-
worben! Sehen Sie die Croute daneben, die der alte
Waagen gekauft hat“ und dabei zeigte er auf unsere
Erwerbung. Er tat dann sehr erstaunt iiber seinen
„Irrtum“. Ebensowenig interessiert fiir unsere Samm-
lung war ein anderer hervorragender Sammler, der vor
etwa 15 Jahren von München nach Berlin iibersiedelte,
D r. v. P a n n w i t z ; aber er war gegen unsere Er-
werbungen nicht mit Verachtung erfiillt, wie Carstan-
jen, sondern mit Neid. Auch frug er grade gern und viel,
ehe er sich zu einer Erwerbung entschloß, entschied
sich aber schließlich durchaus selbständig. Er verfuhr
dabei wie beim Bau seiner fiirstlichen Villa. Wenn man
ihn, erstaunt iiber den merkwürdigen Bau, frug, wer
ihm seine Villa gebaut habe, antwortete er stets: ,.Ich
habe 17 Architekten nacheinander hinausgeworfen,
dann habe ich mein Haus selbst gebaut.“ „Das sieht
man auch“, hat dann wohl mehr als einer geantwortet
oder wenigstens gedacht. Aber was Pannwitz sammel-
te — und er sammelte nach vielen Richtungen — war
regelmäßig sehr gut und mit großem Geschmack, ohne

Ansehung des Preises, gewählt. Seine in den letzten
10 Jahren vor dem Kriege zusammengebracliten Kunst-
werke gehörten zu den besten in Berlin.

Noch verschiedene andere Sammler haben ebenso
selbständig und ebenso glücklich gesammelt, aber da-
bei doch stets gute Beziehungen zu unseren Museen
gehabt, soweit diese sie als Sammler interessierten.
Eine ähnliche bedeutende und reiche Sammlung von
Porzellangruppen und Figürchen, wie sie F r a n H e r-
m I n e F e i s t zusammengebracht und in ihrer Villa
in Wannsee geschmackvoll aufgestellt hat, hat kein
Museum aufzuweisen. Ähnlich wertvoll ist nach anderer
Richtung die Porzellansammlung von Dr. Ludwig
Darmstaedter, dem bekannten Stifter der treff-
lichen Autographensammlung an die Staatsbibliothek
An deutschen Gold- nnd Silberarbeiten, denen sich
wertvollster Schmuck und Majoliken anreihten, hat
Deutschland keine zweite so bedeutende Sammlung
besessen wie die von E u g e n G u 11 m a n n. Leider
ist sie vor einigen Jahren ins Ausland verkauft
worden. Ihrer Auflösung geht eine andere, in ihrer
Art ebenso bedeutende, an Qualität nicht erreichte
Sammlung entgegen, die Sammlung deutscher und
nordischer Bildwerke des späten Mittelalters von
B e n o i t 0 p p e n h e i m , welche für die Wert-
schätzung deutscher Plastik bei Privatsammlern weg-
weisend geworden ist. Eine kleine, aber sehr ge-
wählte Zahl holländischer Bilder (darunter ein paar
Perlen der Stillebenmalerei), die B e r t h o 1 d R i c h -
t e r vor einem Menschenalter selbständig zusammen-
gebracht hat, befindet sich jetzt neben der trefflichen
Sammlung französischer illustrierter Bücher des 18.
Jahrhunderts in der Hand seines Neffen, dcs Porträt-
malers .1 o s e f B lo c k. Eine noch reichere, ebenso ge-
wählte Sammlung von illustrierten französischen Wer-
ken besaß der vor fast 20 Jahren verstorbene P r o f.
B e r n s t e i n, dessen Witwe sie unserem Kupferstich-
kabinett vcrmacht hat. Bernstein war auch der erste,
der Bilder von Manet in Berlin einführte, und zwar ein
paar seiner Meisterwerke, von denen eines als Ver-
mächtnis an die Nationalgalerie gelangte. Eines an-
deren, schon vor einem Menschenalter jung verstorbe-
nen Sammlers m.uß ich hierbei noch gedenken, Wil-
h e 1 m 11 z i n g e r s , der neben einer kleinen Zahl ge-
wählter Bilder der Schule von Fontainebleau vor allem
für Medaillen interessiert war, von denen er eine treff-
liche Auswahl besaß. Ein Sammler, dem wir für seine
Hilfe bei der Frrichtung unseres Museumsvereins be-
sonders verpflichtet waren, Gustav Güterbock,
hatte gleichfalls neben Bildern der Fontainebleau-
Schule kleine Kunstwerke gesammelt, von denen das
Museum mehrere wertvolle Stücke als Vermächtnis
erhielt.

Schon während des Krieges kam das Sammeln
alter Kunstwerke in Berlin fast ganz ins Stocken, ja es
wurden sogar verschiedene der bedeutendsten Ber-
liner Sammlungen verkauft, und wir mußten dabei die
Totengr;;ber machen durch Herstellung der Kataloge
oder eines Vorworts dazu. Seit dem Zusammenbruch

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