Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

DOI Heft:
2. Septemberheft
DOI Artikel:
Bode, Wilhelm von: Die älteren Privatsammlungen in Berlin und die Bildung neuer Sammlungen nach dem Kriege 1870, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0044

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
rriüssen wir wehmütig zusehen, wie die Sammlungen
weiter zusammenschmelzen, und können uns nicht ver-
heimlichen, daß von dem, was wir in einem Menschen-
alter mitgeschaffen haben, nur Weniges bleiben wird.
Daftir, daß sich allmählich wieder neue Sammlungen
bilden werden, sind leider — trotz der sehr ansehn-
lichen Yermehrung, welche die Sammlung deutscher
Bildwerke inr Besitz von D r. G e r h a r d B o 11 e r t,
welche auch die Sammlung S i 11 e n an Arbeiten der
Kleinplastik, namentlich des Barocks, auch in den letz-
ten Jahren noch erfahren hat, — die Aussichten nur
sehr gering. Dem vielversprechenden Anfang, den H. J.
Herzfeld für Dosen des 18. Jahrhunderts und na-
mentlich fiir Bronzebildwerke der Renaissance gemacht
hatte, ist leider durch seinen plötzlichen Tod ein rasches
Ziel gesetzt worden. Was heute, von gelegentlichen,
weniger bedeutenden Erwerbungen älterer Sammler
abgesehen, in Berlin an älteren Kunstwerken gesammelt
wird, ist fast ausschließlich bestimmt, möglichst bald
vorteilhaft weiterverkauft zu werden. Darum tritt es
auch möglichst nicht in die Öffentlichkeit und wird uns
nur ganz ausnahmsweise bekannt.

Kein Zweifel, der Privatbesitz an alter Kunst in
Berlin wird in absehbarer Zeit ungefähr auf soviel zu-
sammenschmelzen, als Berlin vor einem halben Jahr-
hundert besaß. Von jenen Sammlungen, die in den letz-
ten Jahrzehnten die reichen Berliner Bürgerhäuser
schmückten, wird nur die wehmütige Erinnerung der
Jetztlebenden bleiben und werden eine Anzahl reich-

ausgestatteter Kataloge in Zukunft Auskunft geben.
Es wäre freilich undankbar, wenn wir nicht anerkennen
wollten, daß aus jenen Privatsammlungen, die wir kurz
in der Erinnerung an uns haben vorüberziehen lassen,
manches schöne Stück, ja ganze Sammlungen in unsere
Museen übergegangen sind, aber die rechte Rücken-
stärkung für unsere Museen, die rechte Freude an ihren
Schätzen geht mit dem Verschwinden der Kunstwerke
im Privatbesitz zum guten Teil verloren; unsere
Museen werden Schaubuden für die Fremden! Und
was jetzt verloren wird, ist nicht wieder einzubringen;
die Zeit zu ausgiebigen Sammeln wird nicht wieder-
kehren. Bis sich Deutschland vielleicht einmal erholt,
werden die Kunstschätze im Privatbesitz längst aufge-
teilt und in andere Weltteile abgewandert sein. Aber
auch die Entwicklung unserer Kultur beweist, daß die
Zeit zum Sammeln für lange vorüber ist: Wenn mehr
iiber Kunst geschriebeu als ernste Kunst geschaffen
wird, wenn die Kunstgeschichte sich in sogenarmte
Kunstphilosophie verliert und die Künstler selbst zu
philosophieren anfangen und in ihren Werken philoso-
phische Probleme zu lösen glauben, dann ist es mit der
wirklichen Kunst zu Ende. Die Sammlungen alter
Kunst in Berlin sind entstanden, als die paysage intime
und der Impressionismus in der Kunst blühten: sie
gehen zu Grunde mit dem Expressionismus, auf daß er-
fiillet wird, was der Erfinder des Futurismus Marinetti
verlangt hat; „Nieder mit der alten Kunst, freie Bahn
für die neue, fiir die echte Kunst!“ Ach, käme sie nur!

2p
 
Annotationen