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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Novemberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Glasschneider des Iser- und Riesengebirges in der Empire- und Biedermeierzeit, [3]: eine Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0146

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Hochrechteckbild entsprechenden, wieder wesentlich
schlankeren Figuren an die gedruckte Vorlage wieder
mehr anschließt. Ein zweites Stück mit der gleichen
Darstellung (rückwärts „Hochachtung und I. R.-Mono-
gramm) befindet sich in der Sammlung des Grafen An-
ton Auersperg in Wien. — Offenbar von der gleichen
Hand, wie das Elemente-Glas des Gablonzer Museums,
also auch von A. Simm ist der große Fußbecher „d e s
Polen Klage“ in der Sammlung der Frau Berta
Kurtz in Wien: ein verwundeter Polenoffizier sitzt vor
einem Denkmal, auf dem die Namen Sobieski, Koscius-
ko und Zynecki, auf der andern Seite die Schlachten-
namen Ostrolenka, Praga und Warschau, unten „Finis
Polo(niae)“ zu lcsen sind, ein Engel zeigt auf den Ster-
nenhimmel, der das Wort „Einst“ zeigt; die Rück-
seite enthält ein langes Gedicht in Frakturschrift („For-
dere niemand mein Schicksal zu hören . . . ). — Daß
A. Simm auch andere, figurenreiche, aber stets auf
ein kleines Format beschränkte Darstellungen, auch
im Zusammenhange mit Schiller, liebte, beweisen
die Zeichnungen von Szenen aus T e 11 oder der
Braut von Messina, denen ähnliche Blätt-
chen aus dem Freischütz oder aus der Geschichte
(Ü b e r f a 11 a u f D r. L u t h e r) zur Seite stehen.

Aus stilistischen Gründen wäre dem Werke von
A. Simm u. a. noch der farblose A m o r b e c h e r mit
der Inschrift „Amor gibt der Familie Unterhalt“, in der
Sammlung V. Scliick in Prag (Abb. 26) anzufügen, eben-
so der im Gablonzer Museum befindliche Becher mit
Badeszenen aus Tiefenbach bei Gablonz (Abb. 27) 20).
Aber vielleicht können wir auch die Vexierbild-
Darstellungen, Scherze die an nicht gerade ge-
schmackvollere Vorbilder aus dem ausgehenden 16.
Jahrhundert anknüpfen, hierher verweisen. Im Simtn-
Nachlasse befindet sich nämlich auclt ein kleines ge-
drucktes Bildchen, das den Herodeskopf, zusammen-
gestellt aus betlehemitischen Kinderleichen, zum
Gegenstande hat; ein Gläsbecher mit einem ähnlichen
Kopf (aber mit Krone, statt Turban) steht in der Samm-
lung Pazaurek; auch der Reiter, der nebst Pferd aus
sechs verschlungenen Frauenkörpern gebildet ist und
auf einem geschnittenen Glase der Samtnlung J. Miih-
sam in Berlin Nr. 376 21) erscheint, gehört hierher. —
Welche von den unzähligen Panoramengläsern 22), für
die im Nachlasse die oben zum größten Teile aufgezähl-
ten Unterlagen ja Anhaltspunkte böten, auf Simm zu-
rückgehen, ist natürlich niclit bestimmbar; sind doch
alle diese meist recht simplen und billigen Arbeiten
nicht nur naclt eingesandten Vorbildern in den haupt-
sächlichsten Glasgegenden gleich dutzendweise bestellt
worden, sie wurden meist auch in den verschiedenen
Städten und namcntlich Kurorten auch an Ort und

20) Vgl. Karl R. Fischer a. a. O. — Tafel I.

21) Bei Robert Schmidt a. a. O. beschrieben, aber nicht ab-
gebildet.

22) Es sei hier nur auf das primitiv geschnittene Zylinderglas
mit der „Klosterkirche. von Haindorf“ im Nordbölnnischen Ge-
werbenuiseum zu Reichenberg hingewiesen.

Stelle von subalternen Kräften nach Schema F un-
unterbrochen erzeugt.

A. Simm ist einer der besten Vertreter des Hohl-
glasschnittes in der Isergebirgsgegend, die sich in der
zweiten Hälfte immer ausschließlicher auf die Glas-
kurzwarenindustrie warf und die Hohlglasveredlung
anderen Glasgegenden iiberließ. Andere Glasschnei-
der, die seine Zeitgenossen waren oder ihm vorangin-
gen, sind mit ganz vereinzelten Ausnahmen von ganz
untergeordneter Bedeutung 23). —

Wie weit die Anregungen aus den nordböhmischen
Glasindustriegegenden ausstrahlten, beweisen u. a.
auch die Panoramagläser des Glasschueiders S c h a 1 -
1 y in Swietla (Czaslauer Kreis), der mit dem Glas-
schleifer Hojer zusammen die Prager Ausstellung von
1829 beschickt und dabei auch fünf Trinkgläser „mit
Ansichten verschiedener Ortschaften“ zu 2 bis 3 fl.
30 Kr. C. M. ausstellt. Man wird diese Arbeiten vor-
nehmlich unter den nicht häufigen Gläsern mit Ansich-
ten aus dem inneren, tschechischen Landesteil von
Böhmen zu suchen haben; vielleicht gehört das
Henckelglas mit der Ansicht von Politschka hierher,
das das Prager Kunstgewerbe-Museum aus der Auktion
Dr. Köhler-Wien erworben hat. —

Ungleich wichtiger ist aber der Glasschnitt im
R i e s e n g e b i r g e, wo auf der böhmischen Seite,
namentlich in Harrachsdorf, auch nach dem Weggange
I). Bimanns aus seinem Geburtsort noch verschiedene
tüchtige Glasschneider sitzen, die für die damals be-
sonders blühende gräflich Harrach’sche Glasfabrik
N e u w e 11 (damals „Neuwald“) beschäftigt sind. In
Ermangelung jeglicher Signaturen lassen sich aber be-
stimmte Arbeiten, mit denen die genannte Fabrik auf
allen Ausstellungen die höchsten Preise erzielte, fast
nie mit einzelnen Namen in Verbindung bringen. Daß
neben dem Farbenglas und dem durch die Ausnutzung
der Gebirgswasserkräfte von selbst naheliegenden
Schliff, die die Hauptstärke von Neuwelt ausmachen,
auch der Schnitt gepflegt wurde, zeigen uns die auf den
Prager Ausstellungen vorgeführten Objekte, z. B. nicht
nur ein Krystallglaspokal „mit gravierter Ansicht der

23) Die Kirchenbücher von Gablonz und Umgebung könnten
eine ganze Reihe von Glasschneider-Namen der Vergessenheit ent-
reißen, aber diese blieben, da man bestimmte Arbeiten fast nie mit
ihnen in Zusammenhang wird bringen können, leerer Schall. und
Rauch. Trotzdem sei wenigstens kurz noch auf andere Quellen
hingewiesen. So enthalten z. B. die alten Mannschaftsbücher der
benachbarten gräflich Desfours’schen Herrschaft Morchenstern u. a.
folgende Glasschneider: Johann Hoeke in Morchenstern No. 28,
geb. 1786; Albert Kaulfuß in Morchenstern No. 234, geb. 1782
mit seinem Sohn Augustin, geb. 1807; August Pfeifer in Neu-
dorf N. 105, geb. 1805; Johann Reckziegel in Wiesenthal
N. 88, geb. 1809; Josef Rößler in Morchenstern No. 251, geb.
1785; Josef Schür in Morchenstern No. 217, geb. 1790,
übersiedelt mit seinen 3 Söhnen nach seiner neuen Schleif-
mühle in Josefstal; Alexander Seidel in Morchenstern
No. 483, geb. 1813; August Seidl in Morchenstern No. 10, geb.
1792, mit 3 Söhnen; Ignaz Seidl in Wiesental No. 170, geb. 1797;
Josef S e i d I in Morchenstern No. 405, geb. 1776; ebenfalls
Josef S e i d 1 in Morchenstern No. 25, geb. 1803, und desgleichen
Josef S e i d e 1 in Wiesental No. 170, geb. 1805.

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