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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Dezemberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Glasschneider des Iser- und Riesengebirges in der Empire- und Biedermeierzeit, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0176

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(17. August 1830). Noch wichtiger wurde die Begeg-
nung mit Friedrich Wilhelm IV. 1855 während dessen
Sommeraufenthaltes auf Schloß Erdmannsdorf, wo ihn
Siebenhaar nach dem Leben zunächst in Wachs model-
lierte 2Ö) und darnach in Onyx als Kameo schnitt, wo-
für er zum Hofsteinschneider ernannt worden ist. Nur
tiber die Edelsteinschnitte sind wir gut unter-
richtet, zumal die sorgfältig nach Jahren geordneten
Folgen der Petschaftabdrücke in Siegellack im Mu-
seum von Hirschberg (die Jahrgänge 1856, 1876 und
1877) und in der gräflich Schaffgotsch’schen Bibliothek
von Warmbrunn bewahrt werden. Aber es handelt sich
bei diesen zahlreichen (z. B. 1856: 139 Stiick) Intaglios
nicht nur um Monogramme oder Wappen, darunter ver-
schicdene Siegelsteine für das preußische Königshaus,
sondern auch um figuralen Tiefschnitt, wie einem Achil-
leskopf (im Riesengebirgsmuseum von Hirschberg), ja

nenden Merkurfigur als Deckelknauf geschmückten
Rauchtopaspokal30). Arn 22. Oktober 1895 schloß F.
Siebenhaar in seiner Vaterstadt sein langes, arbeits-
reiches Leben. Was wir über seine Gläser wissen, ist
überaus gering; eine seiner besten Arbeiten auf diesem
Gebiet, ein C.las mit dem besonders tief' geschnittenen
Brustbild B 1 ü c h e r s ist nach seinem Tode verschol-
len. Unter den Papierabklatschen geschnittener Glä-
ser, die aus Siebenhaars Besitz indas Museum von
Hirschberg gelangt sind und nach der Tradition auf den
besten schlesischen Glasschneider C. G. Schneider zu-
rückgeführt werden, befinden sich auch solche mit
antikisierenden Figuren, ferner Napoleon u. dgl.,
die ein 1773 gestorbener Meister unmöglich gemacht
haben kann; da sie für Reichstein zu gut sind, wird
man wohl einzelnes auf Siebenhaar selbst zurück-
führen dtirfen, der nach 1832 in dieser Richtung ge-

Abb. 28

Abb. 29

Abb. 30

auch um Porträtintaglios z. B. für den Rittmeister von
Decker und seine Frau. Unter den vielen, noch schwie-
rigeren Porträtkameen wird außer den angeführten mit
dem Kopf Friedrich Wilhelm IV. und des Grafen Hover-
den u. z. als seine letzte Arbeit noch die des Grafen
Ludwig Schaffgotsch erwähnt. Siebenhaar, der sicli
auch als Großplastiker (lebensgroße Bronzebüsten der
Geh. Komerzienräte v. Kulrniz und Brook, Zinn-Kruzi-
fix in der evangelischen Kirche von Warmbrunn) betä-
tigte, schuf später auch verschiedene größere Halb-
edelsteinestücke, wie die Siegessäule mit dem Adler
aus Rauchtopas (jetzt im Schlesischen Museum f. K. u.
A. in Breslau) oder einen Lapislazuli-Becher für von
Decker in Dittersbach, besonders aber für R. Brook in
Berlin den mit dessen und seines Vaters Hochschnitt-
porträts, Wappen, allerlei Emblemen und einer bekrö-

20) Diese Wachsbossierung kam nach Siebenhaars Tode in
dic Sammlung W. Fröhlich in Bautzen und 1906 mit dieser in das
Museurn von Görlitz.

arbeitet haben muß; vielleicht darf man auch einige
der vorzüglichen Überfang- und gelben Farbenätze-
Gläser, die den a 11 e n F r i t z zu Pferd nach Chodo-
wieckis Stich darstellen (z. B. zwei Exemplare in der
Sammlung Pazaurek) mit Siebenhaar in Verbindung
bringen, wie auch seine Hand in einzelnen Kugler-
graveurarbeiten und Hochschnittgläsern vermuten.

Auch seine ttichtigsten Warmbrunner Zeitgenossen
haben sich vom Glasschnitt immer mehr dem E d e 1 -

30) Dieser seinerzeit vielbewunderte Pokal von 28,5 cm
Höhe, der zwischen 1870 und 1879 entstand und 9000 Mark kostete,
ist nach dem Gipsmodell im „Wanderer im Riesengebirge“ vom
1. Februar 1916 S. 12 klein abgebildet. Das Tagebuch, das Sieben-
haar über dieses sein, dem Geschmack der Zeit entsprechend na-
türlich in Renaissanceformen gehaltenes Hauptwerk fiihrte, be-
walirt das Hirschberger Museum. Die auch aus diesem Buche
sprechende schlichte, arbeitsfrolie, fromme Lebensanschauung
stellt Siebenhaar in ausgesprochenen Gegensatz zu vielen, nicht
weniger talentierten Glas- und Steinschneidern unter seinen Zeit-
genossen, die sicli aus einer Bohemestimmung herauszuarbeiten
nie die Kraft hatten.

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