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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Dezemberheft
DOI Artikel:
Sponagel, Kurt: Über das Kunstsammeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0204

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sich über das, was Kunst letzten Endes bedeutet inner-
lich immer klarer zu werden.

So sehr nun der Besitz des Sammelobjektes End-
zweck alles Sammelns im anfangs angeführten naiven
Sinne ist, so sehr muß es Ziel einer nach höheren Ge-
sichtspunkten orientierten Sammeltätigkeit sein, das
Kunstwerk nicht nur äußerlich, sondern nach und nach
auch innerlich zu besitzen, so zu besitzen, daß man sich.
wenn es sein muß eines Tages auch von ihm trennen
kann ohne es zu verlieren. Diese anfänglich paradox
scheinende Auffassung etwas näher auseinander zu
setzen, soll der Zweck dieser kurzen Betrachtung sein.

Jm Anfang ist Sturm und Drang auch beim Samm-
ler. In der ersten Begeisterung sammelt man hastig,
nervös, in steter Angst es könnte einem etwas wich-
tiges entgehen. Man horcht oft vielleicht ohne zu wol-
len auf das, was als vielversprechend und bedeutend
angesprochen wird; Suggestion steht mit im Spiel, es
kommt wie eine Leidenschaft iiber einen und die Jagd
nach dem Besitze macht den jugendlichen Sammler
leicht zum wenig sympathischen Egoisten. — Von alle
dem muß eines bleiben; der heilige Eifer, die Begeiste-
rung für die gute Sache; alles andere aber muß von uns
fallcn, ein’s um's andere, Schritt um Schritt wie Er-
kenntnis allmählich zu innerer Freiheit führend, wenn
es nicht beim spiclerischen Sammelbetrieb bleiben soll,
bei dem im Grunde das Objekt des Sammclns kcine
Rolle spielt. Dieser Weg kann ein Lebensweg sein, er
ist lang und mühsam und nie vollendet und er kann
Glücksmöglichkeiten in sich bcrgen wie sie tiefer dem
schöpferischen Geiste kaum beschert sein können.

Das Endziel solchen Weges ist nicht auszudenken
und liegt jenseits menschlichen Stückwerkes. Wer ihn
geht, muß voller guten Willens sein, alles zu verstehen,
voller Neugierde alles zu sehen und voller Mut zu
wachsen und miihsam erkämpftes Wissen vor tieferer
Erkenntnis preiszugeben.

Flüchtig betrachtet liegt nun mit dem Begriff des
Sarnmelns die Idee des Anhäufens von Objekten, des
Besitzes wie selbstverständlich verbunden und welcher
Sammler dürfte mit gutem Gewissen behaupten, die
Freude am Besitz ganz überwunden zu haben? Es
wird gerne die Existenzberechtigung des Sammlefs
überhaupt damit begründet, daß er mit seherischem
Blicke Verschollenes an’s Licht ziehe und noch Uner-
kanntes fiir die Nachwelt sichere, also zum Hüter und
Erhaiter höchster Menschheitswerte werde. Das soll
unbestritten bleiben, denn darin liegt schon ein über
dem I3esitze stehen, wenn wirklich nur solche Motlve
die treibende Kraft bleiben. Es werden aber zu alien
Zeiten inrmer nur ganz wenige sein, denen die Mensch-
heit in diesem Sinne zur Schuldnerin wird.

Wie aber steht es nun mit den andern, den vielen?
Wo liegt ihre Berechtigung? Sie liegt vor Allem eben
in den wenigen Weitsichtigen, denen sie unerläßlicher
Nährboden sind aus dem sie hervorgehen, auf dem sie
gedeihen können. Idie Vielen müssen sein, damit die
Wenigen möglich sind. Auch Sammeln ist stiller Wett-

streit und Kampf, bei dem nicht alle Sieger werden
können.

Die zweite und nicht minder wichtige Berechtigung
dieser Vielen liegt aber im Gewinn, den sie selbst aus
dem Umgange mit der Kunst erzielen, er liegt im Grade
ihres inneren Wachstums aus diesem Umgang mit der
Kunst. In dem Maße nun, wie man sich frei macht von
der rein äußerlichen Sammlerfreude des Besitzes,
wächst das tiefere Verhältnis zum Objekt des Sam-
melns, also zur Kunst.

Wenn der Markensammler eine seltene Briefmarke
erworben hat, wenn er sie genau bestimmt und säuber-
licli in’s Albunr eingeklebt hat, dann bleibt ihm im
Grunde nichts anderes mehr übrig als sich darüber zu
freuen, daß e r sie besitzt und nicht irgend ein anderer.
Ganz gleich kann man es mit einem Bilde oder mit
einem seltenen graphischen Blatte halten. Ernst zu
nehmen ist aber d e r Saminler erst, der sich mit diesem
äußerlichen Besitze nicht begnügt, sondern für den nun
erst die Arbeit beginnt; der immer und immer wieder
in ein solches Blatt sich vertieft und versucht hinein-
zuwachsen in den innern Zustand des Künstlers, der im
Kunstwerk zu äußerlich sichtbarem Ausdruck gebracht
worden ist. Und hier liegt nun die nicht zu verachtende,
die große Bedeutung des Besitzes, indem er uns das
Zusammenleben mit dem Kunstwerk ermöglicht, das
Vergleichen mit andern Werken, das immer erneute
Betrachten und liebevolle sich hineinleben. Solch inni-
ger Verkehr mit Kunstwerken muß dazu führen, daß wir
nach und nach Wunder über Wunder erleben, daß wir
uns immer mehr beschränken lernen und daß sich lang-
sam und allmählich jenes feine Gefühl in uns entwickelt,
das nur noch anklingt, wenn wir in einem Werke die
Spuren jenes Unaussprechlichen entdecken, womit es
zum echten Kunstwerke gestempelt wird.

Werke die wir so erlebt haben, haben irgend etwas
in uns erlöst, haben uns irgend eine vielleicht unbe-
wußte Erkenntnis gebracht und sind in uns einge-
gangen. Wenn wir einmal soweit sind, geht es uns
ähnlich wie dem schaffenden Künstler mit seinem
Werk, um das er sich nicht mehr groß kümmert, wenn
er es einmal hervorgebracht hat, weil sein Schöpfer-
geist ihm schon dem neuen Werke entgegentreibt.
Dann stehen wir am Anfang des Weges ohne F.nde,
indem wir freudig erkanntes hinter uns lassen, um kraft
gewonnener Erkenntnis nach immer reineren Äuße-
rungen künstlerischen Geistes zu suchen. Jedes inner-
lich erkämpfte Kunstwerk bedeutet Gewinn und
Wachstum und öffnet Wege und Möglichkeiten neuen
tieferen Erkennens.

Noehmals sei es gesagt, was hier in wenigen Wor-
ten festgelegt ist, ist ein langer, miihsamer und be-
schwerlicher Weg und fülirt über Umwege und an
Klippen vorbei. In dem Maße aber, wie wir vorwärts
kommen, wird die Zahl der Werke, die uns Gewinn sein
können, immer kleiner und die Anzahl der Werke, die
wir innerlich besitzen und äußerlich entbehren können
wird immer größer.
 
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