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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Januarheft
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Engelmann, Max: Werke der letzten Blüte klösterlicher Uhrmacherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0232

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Abb. 8. Zifferblatt der Uhr Abb. 7

(Nach v. Bassermann-Jordan: Uhren. Verlag R. C. Schtnidt & Co., Berlin)

vid a S. Cajetano seines (des Aurelius) 0 r -
d e n s M i t b r u d e r u n d d e s a 11 h i e s i g e n
Klosters Schreiner in seinen verfertigten sy-
stematischen Uhrwerken einen volkommenen Meister
gezeiget.“ Mit diesen Ausführungen in der Vorrede
seiner Erklärung läßt Aurelius einen Blick in sein Stu-
diummaterial tun und bestätigt vor allem damit klar die
eingangs vermuteten Beziehungen des Aurelius Wer-
kes zu Frater David.

Es ist anzunehmen, daß dieser Klosterschreiner
auch der Verfertiger des „von der neuesten Art künst-
lich gearbeiteten Kastens, dessen Höhe samt der Kup-
pel 7 Schuh 8 Zoll beträget“ ist. Für 1770 ist dieser
Uhrkasten tatsächlich „von der neuesten Art“ und früh
in jenem klassizistischem Stile, den man mit der Epoche
Louis XVI. bezeichnet, während das Ziffernblatt der
Uhr (Abb. 4) offenbar nach älteren Vorlagen graviert
wurde. Wahrscheinlich schuf Frater David zwei die-
ser Gehäuse, verwarf vieleicht aus Uhrraumgründen,
oder seiner rustikaleren Schnitzereien wegen, das erste

mechaniker. Er wurde in seinen letzten Lebenszahren, wolu
durch seine lebhaften Beziehungen zum Kloster Bauz, Konvertit.
Sein Schüler war Johann Georg Fellwöck, Würzburger Hof-
schreiner und Universitätsmechaniker N. t 14. VIII. 1762 (Liter.
liber N.: Sr. Nicolai: Beschreibung einer Reise .... 1781, I. S. 106;
Literatur des kathl. Deutschlands, IV. S. 149. Studien zur Deut-
schen Kunstgeschichte, 98. Heft, Straßburg 1908).

Gehäuse und zog dann zu dem Werke des Aurelius
schließlich einen bewährten Bildschnitzer heran. Der
erste Uhrkasten dürfte dann in den Besitz des Rei-
chersberger Chorherrn Kammerhuber gelangt sein.
Auf welchem Wege läßt sich heute nicht mehr fest-
stellen. Sicher ist, daß Kammerhuber nie dern Wiener
Hofkloster angehörte, aber die geistlichen Beziehungen
zwischen Wien und Reichersberg liegen nahe. We-
sentliche Unterschiede zwischen den beiden Gehäusen
sind tatsächlich nur in den figürlichen Schnitzereien
festzustellen. Diejenigen des Aureliuswerkes (Abb. 6)
verraten, neben sicherer Führung des Schnitzmessers,
ein geschultes Auge für die Reize kindlichen Spieles und
e i n Modellvorbild in den porträtmäßigen, typisch her-
ausgearbeiteten Großschädeln der Kinder. Sonst ge-
hen die Kästen aber wohl von einer jener Wiener Holz-
bildhauerschulen aus, die später ausübten. Für die aus-
gehende theresianisch-josephinische Zeit, die ihre
Möbel schon sachlicher und einfacher gestaltete, sind
diese, durch ihre seine farbige Abtönung noch be-
sonders wirksamen Gehäuse herausragende Arbeiten;
zur Plastik gewordene Sehnsüchte aus nüchternen Klo-
sterzellen zur jenseitigen Welt voll Prunk und Leben.

Die Gehäüse krönt die Armillarsphäre, jenes als
Weltgebäude zu deutende Ringgefüge, das schon die
Antike zu ihren astronomischen Messungen, Zeit- und
Ortsbestimmungen benutzte. Unter einer jener zahl-
reichen Barockkirchen Österreichs entnommen sein.
Die niedcren Geräte der Geodäsie und Astronomie:
Lot, Winkelhaken, Sonnenring sind den Kindergestal-
ten des oberen Gehäuseteils als Spielzeug zugeteilt.
Die Kindergruppen des Mittelbaues versinnlichen den
Tierkreis. Er beginnt an der linken Schmalseite mit
den Frühlingszeichen des Widders, Stieres und der
Zwillinge, zeigt an der Gehäusefront die Somrtier- und
Herbstzeichen Krebs, Löwe, Jungfrau, Wage, Skorpion,
Schiitze (Abb. 4) und schließt an der rechten Schmal-
seite mit den Winterzeichen Steinbock, Wassermann
und Fische. Leider verbietet es der Raum auf die
astronomischen und kalenderischen Schaltungen der
Zifferblätter der hier wiedergegebenen Uhrwerke
näher einzugehen. Es muß für eine besondere Abhand-
lung an geeigneter Stelle vorbehalten bleiben. Aurelius
nennt, wie David, sein Werk eine „systematische Uhr“
und versteht darunter eine soiche, die „auf einen flachen
Felde oder sogenannten Zifferblatt mittelst verschiede-
ner Zeiger und Zifferringe nicht nur allein die Zeit in
gewisse Theile, als Jahr, Monat, Tag usw. durch seine
ununterbrochene Bewegung abmässet, sondern auch
anbey dic richtige Bewegung eines oder mehreren
Planeten in dem Thierkreise satnt den mit solchen Pla-
neten sich ereignenden JJegebenheiten als Vierteln,
Abweichung, Verfinsterungen u. d. g. in ihren richtigen
Ort und zu richtiger Zeit andeutet“. Nur einige wichti-
gere Angaben sollen hier noch Erwähnung finden. Zu-
nächst die schon eingangs erwähnte Eigentümlichkeit
des Zifferblattes, jene vier an einander liegenden kon-
zentrischen Kreise mit in sich verschobener Teilung,
die uns zunächst am kräftigsten an den Zifferblättern

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