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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Februarheft
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Amersdorffer, Alexander: Aus Carl Blechens letzten Jahren
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0284

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spricht in diesern Brief üie Bitte aus, sein auf die Aka-
demieausstellung gesandtes Bild, das ungünstig unter-
gebracht war, auf eine besser beleuchtete Wand zu
liängen. „Ich wäre schon selbst zu Ihnen gekommen,
aber mein medizinieren läßt mich nicht aus dcm Hause“,
fügt er hinzu.

Ein weiterer Brief an Schadow vom 30. November
des gleichen Jaiur.es ist durch die Sorge um die Er-
fiillung seiner dienstlichen Pflichten veranlaßt, an der
er durch sein Befinden immer noch verhindert war.
Er schreibt:

Höchst verehrtester Herr Professor!

Sie haben die große Giite gehabt meiner Frau
ilire Bitte zu genehmigen, daß mein Unterricht erst
im neuen Jahre beginnt, wofiir ich Ihnen meinen er-
gebensten und herzlichsten Dank sage. Leider geht
es mir noch immer nicht gut, ich mediziniere und
bade seit sechs Wochen täglich, und der Arzt will
mir durchaus keine Unterbrechung erlauben, wes-
halb ich mich des Unterrichts wegen sehr beunruhigt
habe, und meine Frau aus gutem Herzen, ohne mir
etwas zu sagen zu Ihnen mein verehrter Herr Direk-
tor ging, und mir Ihre freundliche Antwort brachte.“

Die Handschrift beider Briefe ist fest und sicher
und verrät noch nichts von einer Tr-übung des Geistes.

Die Krankheit - schritt weiter fort und Blechen
konnte nicht mehr an eine Ausübung seines Lehramtes
denken. Auf seine weitere Vertretung bezieht sich ein
Schreiben seiner Frau, das hier Platz finden möge, ob-
wohl sein lnhalt liicht gerade wesentlich ist, das aber
Bedeutung dadurch gewinnt, daß es mit dazu beitragen
kann, die von Bettina von Arnim in ihrem von G. J.
Kern in seiner Blechen-Monographie wiedergebenen
Briefe an Moritz August von Bethmann-Hollweg gegen
Blechens Frau erhobenen Vorwürfe zu entkräften, die
Kern schon mit guten Gründen zurückgewiesen hat.

Frau Blechen schreibt arn 5. Aprii 1837 (wolil an
den Sekretär der Akademie Professor Toelken):

„Wertgeschätzter Herr Professor!

Blechen empfiehlt sich Ihnen freundlichst er
wolte noch zu Ihnen kommen, und Sie bitten gütigst
zuweilen etwas naclr zu sehen, der gute Herr Direk-
tor Schadow hat erlaubt, das Herr Krüger welcher
früher schon mahl einige Stunden gegeben während
meines Mannes vortsein sie wieder geben könne,
und mit dem habe ich es aucli schou abgemacht. Ein
Jugendfreund Blechens kam gereißt wo er sicli sehr
zu freute mit dem ist er nach Potzdam, und dan zu
dessen Eltern, auch wünscht der sehr ilun mit auf
dem Lande zu nehmen weil er Prediger ist und die
Umgegend recht hübsch sein soll, da meines Mannes
Angst, und Tüfsinn wieder zunehmen, so muß doch
nun ernstlich alles wieder zu seiner gänzlichen Wic-
derherstellung gethan werden, Sie nehmen gewiß
aucli theil an sein Geschick, Sie waren ja inuuer so
gut gegen ihm, mit Hochachtung und Ergebenheit

Henriette Blechen.“

Das von Kern zitierte Urteil ,das schon Fonta.ie
über Blechens Frau gefällt hat „eine sehr gute, . . sehr
verständige Frau, ganz sclilicht. ganz einfach, ganz
olme höliere Bildung, aber vom allergesundesten Men-
schenverstand . .“ wird durch diese schlichten, nur von
Fürsorge für ihren Mann und seine Genesung sprechen-
den Zeilen vollauf bestätigt. Daß sie selbst Ärzte, wohl
auch gegen den Willen ihres Mannes, konsultierte, daß
sie sich die Pflege des Kranken nicht von anderen ab-
nehmen lassen wollte, beweist nur, daß sie ganz von
dem Wunsche beherrscht war, ihn wieder gesund zu
sehen.

Im Juli 1837 mußte der Künstler allerdings wegen
seiner zunehmenden geistigen Störung in die Heilan-
stalt des Dr. Horn überführt werden. Was Bettina von
Arnim über diese trübste Zeit aus Blechens letzten
Jahren in dem erwähnten Briefe berichtet, hat Kern,
sicher mit Recht, als den Ausfluß einer etwas exaltierten
Phantasie erklärt. Auch der Berliner Klatsch mag
reichlichen Anteil an Bettinas Übertreibungen haben.

Auf Schadows Ersuchen hat Dr. Horn der Akade-
tnie im August 1837 einert Bericht über Blechens Zu-
stand erstattet. Diese einzige uns erhaltene von einem
ärztlichen Fachtnanne herrührende Äußerung über die
Krankheit des Künstlers lautet:

„Ew. Hochwohlgeboren

geehrtes Schreiben vom 17. huj. den Gesundheits-
zustand des Professor Blechen betreffend, beehre ich
mich dahin zu beantworten, daß dieser geschickte
Künstler allerdings in einetrt bedeutenden Grade von
Seelenstörung sich befindet. Alle Theilnahme so-
wohl für seine Verwandten als seine Kunst ist er-
loschen; er lieset die Briefe seiner Frau, und hat
unmittelbar nach Beendigung eines Satzes schon
wieder vergessen, was in demselben gesagt ist. Mit
großer Mühe gelingt es wohl ihn zur Arbeit an seinen
Bildern zu bewegen; dann sitzt er vor denselben,
hält Pinsel und Palette in der I lanci, pfeift Lieder-
chen, und macht dann und wann einmal einige Pin-
selstriche, deren Resultat er jedoclt fast irnmer
wieder durch Abwaschen vernichtet sobald er von
neuem an die Arbeit kommt. Außerdem sucht er
wie ein Kind Scherben zusammen, wickelt sie sorg-
fältig ein, und steckt sie in die Tasche; ebenso sam-
melt er Zigarrenstümpfchen, um sie später noch zu
rauchen; setzt beim Gehen die Füße über Kreuz so-
bald er einen blanken Gegenstand erblickt, und ist
von diesen Kindereien durch keine vernünftigen
Vorstellungen abzubringen.

Siclt selbst hält er keineswegs fiir krank; be-
hauptet, sein früherer Arzt habe ihn ganz curiret,
und nur ein später von seiner Frau hinzugezogener
Arzt habe ihn in meine Anstalt geschickt, aus der
er übrigens gern entlassen sein möchte. — Bis jetzt
ist es noclt niclit gelungen ihn in irgend etwas iiber
seinen Zustand aufzuklären, und bedenkt rnan, wie
lange bereits die Krankheit dauert, wie wenig sie
anfangs beachtet, und wie schwach man später

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