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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Aprilheft
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Zülch, Walther Karl: Kunsttransport und Kunsthandel: Beiträge aus der mittelalterlichen Messestadt Frankfurt a. M.
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0417

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Auffindung des Bildes von Bedeutung ist: Der rechte
Schild enthält drei von oben rechts nach links unten
fliegende Vögel, der linke Schild ist dreimal schräg
geteilt, der die Schilde zum Allianzwappen verbindende
Stechhelm trägt ein stehendes Mädchen mit offenem
Haar und langem Gewand, eine Hand erhoben, in der
anderen einen unbestimmbaren Gegenstand. Der Sip-
penaltar mit Assistenz von St. Agnes und St. Vitus, dazu
den Stifterporträts war also schon 1607, ähnlich wie die
Hausbuchmeistertafel des Historischen Museums, auf
die Holzkammer verbannt und ist verschollen. Daß die
J afel zu dem in der Kirche nachweisbaren Agnesaltar
geliört, ist vorauszusetzen, welclier Altar nacli der In-
sclirift 1350 gestiftet worden wäre, für welches Jahr
auch ein Heilmann Bisse urkundlich fest steht. Statt
der zweiten Zalil 1372 ist aber ohne Zweifel 1472 zu
setzen, nicht nur weil das von A. Goldschmidt -gefun-
dene Bestellungsjahr 1471 zwanglos das Aufstellungs-
jahr 1472 für die Tafel ergibt, sondern vor allem, weil
die Bildbeschreibung stilistiscli das Jahr 1372 aus-
schließt. Der Lesefeliler von Stalburgs ist von Lersner
(Ghronik 1706 IJ. 46) und im Archiv für Frankfurter
Geschichte und Kunst (I. 3. Seite 83) übernommen
worden. Das Ergebnis ist, daß eine 1471 in Lübeck ge-
malte Altartafel 1472 in Frankfurt a. M. Aufstellung fand.

A. Goldschmidt hat den Kunstcharakter Bernt
Notkes als vom Mittelrhein abhängig dargesteilt. Durch
ein merkwürdiges Spielen der Zufälle wurde 1472, un-
abhängig von dieser Abhängigkeit, ein Bild des „mittel-
rheinischen“ Bernt Notke im Herzen des Mittelrheins,
in Frankfurt, aufgestellt. Wäre es noch vorhanden, so
würde es also unbedenklich lieute als mittelrheinisch
oder frankfurtisch bestimmt werden; nicht mit Unrecht,
da des Lübecker Malers Werk, nicht er selbst, in das
Quellgebiet seiner Kunst zurückkehrte.

Ratszinngerät aus England 1503.

Die gute Qualität der originalen englischen Zinn-
wrare veranlaßt den Frankfurter Rat schon früher zn
direktem Bezug: 1417 werden ausgegeben:

„6 gulden mynner 12 heller umb 45 pfund zinnere
schusseln uss Engellant, je 7V2 Pfund für 1 gulden.“
Hundert Jahre später ist man abcr bezüglich der künst-
lerischen Ausführung so wählerisch, daß ein vorge-
schriebener Entwurf den Auftrag begleitet. In Fragen
des Geschmackes und Stiles muß demnach das Frank-
furt um 1503, wo Holbein, Jörg Ratgeb, Dürer, Grüne-
wald und der Antwerpner Meister von Frankfurt ar-
beiten, sich genugsam überlegen gefühlt haben, um Eng-
land lediglich die rein technische Überlegenheit in der
Zinnverarbeitung zuzugestehen. Der Stadtrechen-
meister bucht 1503 folgende Ausgabe:

„7 gulden und 12 albus fur 24 mittelmessig Engels
Zennen geslagen platenen, hait ( onrat Schit (Rats-
herr und Bürgermeister) bestalt und zu Londe inne
Engellant machen laissen uff eyn f o r m e und
m o n s t e r dargeschickt. (Stadtarchiv Erankfui t,
Rechenmeisterbuch 1503. Einzelausgaben.)

Altartafeln 1519 im Kunsthandel.

Der pestkranke Handelsherr Hans Thomas, in
Frankfurt und Aschaffenburg reich begütert, und ver-
wandt mit dem Aschaffenburger Buchdrucker und Fis-
kal Mathis Auerbach und Priester Conrad Minzeberger,
bestimmt in seinem Testamt am 23. X. 1519:

„im jare 1519 in der herbstmesse hab icli zwo altar-

toffeln nf mynen costen gein Lipzig an Hansen Siden-

stickern geschickt, costen 260 gulden, sal er mir zun
besten vertryben.“ (Stadtarchiv Frankfurt, Testb.

1519. 216.).

Der selir hohe Preis der Malereien, die als Olrjekt des
Kunsthandels auftauchen, das wichtige Jahr, und vor
allem jener Seidensticker Hans von Sarbrücken, der
Iiier als Unterverkäufer auftritt, sind selir beachtens-
wert. Ist er doch die gleiche Person, die ich im Reper-
torium 43 (1920) als Testamentsvollstrecker des Malers
Mathis Gothardt alias Nithardt nacliwies, den W. Rolfs
in seinem jüngst erschienenen Buche als Matliis Grüne-
wald darstellt! Da dürfte es angebracht sein, iiber den
Handelsherrn und Kunsthändler Hans J'homas ausführ-
licher zu berichten, daß er an Kapitalkraft und Verbim
dung recht bedeutend war. Das Geschäft des Groß-
händlers erstreckt sich auf Kupfer, Blei, Fischblasen
u. a. Mit seinem Geschäftsfreund Christ von Husen in
Antwerpen hat er einen Wechsel auf 10 000 Gulden aus-
gestellt und dafür Waren im gleichen Werte hinterlegt:
Ballen von Arras (Seidenstoff), Silbergeschirr, Perlen
und Ringe. In seinem Gewölbe lagern nocli Seide,
Borten, Satin und ausländische Tuche, an denen ein
„Wale von Tournay“ Geschäftsanteil hat. Hans Tho-
rnas besitzt Bergwerkskuxe „gockuss nach lut eines
Berckzettels erkauft.“ Die in Antwerpen sitzenden
Frankfurter Handelsherrn Kellner und Brun und die
blühenden Kupferspekulationen berührt das Testament.
Auf vielen Seiten klarer, geschäftlicher Dispositionen
eines großen Handelsherrn und Zeitgenossen Grüne-
wralds, begegnet eine einzige, kurze, aber bedeutsame
Kunstnotiz! Der Großkaufmann läßt durcli einen Un-
terhändler recht teure Bildcr in die Leipziger Messe
fahren und dort verkaufen. Der schnellen Pest ist die
Fixierung und Erhaltung eines (!) solchen Geschäftes,
das als ausstehende Forderung in der Erbmasse er-
scheint, zu danken. Auf ähnliche Weise können die
Tafeln des Antwerpener Meisters von Frankfurt ihren
Weg nach Frankfurt gefunden liaben. Aber es zwingt
auch das Licht, das aus solcher Urkunde auf die Ver-
kehrsmittel geldmächtiger Handelsherren fällt, die Mög-
lichkeit nicht ganz abzuweisen, daß, trotz aller beson-
deren Eigenart der Schöpfung, der Isenheimer Altar
nicht im fernen Vogesental gemalt wurde!

Hans Thomas ist kurz nach der Testamentserrich-
tung gestorben, seine Erben, die zweite Frau Agatha
und der gleichnamige Sohn scheinen später in der
Hauptsache auf den Aschaffenburger Gütern gelebt zu
liaben. (Stadtarchiv Frkft. Gewaltb. 1522 Assumpt.
Narie, 1524 Vinc. Petri). Testamentsvollstrecker war

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