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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Maiheft
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Schottmüller, Frida: Die Sammlung Silten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0439

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tum späterer Zeit und den italienischen, abgeklärten
Naturalismus starke Unmittelbarkeit des Ausdrucks,
der gerade durch die Schlichtheit der Komposition nocli
gesteigert wird.

Htwa gleichzeitig die bairische Madonna (Nr. 41),
wo Konvention in Typus, Haltung und Faltenwerk am
(iewand der Mutter eigenartig kontrastiert zu dem leb-
haft bewegten, gut beobachteten nackten Kind. Über-
ragender in der Qualität nocli die halbfigurige Mutter
(iottes (Nr. 45) aus Westdeutschland von etwa 1500.
Denn hier ist im geschlossenen Umriß, dem zuliebe die
Schultern ganz schmal gegeben sind, die beste Tradition
des mittelalterlichen Andachtsbildes erhalten, während
individuelle Züge, dem Leben abgelauscht, die neue Zeit
verraten. Man ist versucht, solche Ausdeutung stillen
Mutterglücks und kindlichen Sichgeborgenftihlens mit
frühen Madonnen Raffaels zu vergleichen. So verschie-
den die Formensprache, so ähnlich die Stimmung, die
der Künstler geben wollte und gegeben hat.

Kiinstlernamen, in der italienischen Kunst der Zeit
fast immer ungefähr festzustellen, werden erst neueren
Datums reichlicher mit deutschen Werken in Verbin-
dung gebracht. Der heilige Jakobus (Nr. 53), eine clia-
racktervolle Männergestalt in reichdrapiertem Mantel,
entstammt dem alemannischen Kunstgebiet, wo ähn-
liche Typen bei Mauch zu finden sind, wenngleich auch
die Entstehung mehr am Oberrhein zu suchen ist. Hans
Leinberger ist durch eine Äbtissin (die heilige Clara?
Nr. 54) trefflich vertreten. Philipp Maria Halm, der zum
ersten Male den Stil des Ostzipfels von Niederbayern
erforscht und mit dem Meister der Alt-Öttinger Türen
(Krennies?) in Verbindung gebracht hat, wies aucli die
Siltensche Heilige dem „Krennies“-Kreise zu. Aber die
prachtvolle Gewandung mit stark betonten, rundlichen
Faltengraten ist trotz unleugbarer Verwandschaft docli
anders als die unruhig-flackernde Formgestaltung, die
von Passau bis nach Oberösterreich hinein, bcsonders
im bayrischen Vils- und Ro+ttale zu finden ist. Eih
typisches Werk dieses Stils ist die anmutige Gruppe der
heiligen Anna selbdritt (Nr. 55), die der heiligen Sippe
der S. Annakirche zu Neu-Ötting besonders nahe steht.
Neben der heiteren Lieblichkeit dieser Arbeiten er-
scheint die heilige Clara (?) ernster und großartiger.
Sie gehört wohl sicher in die westlichere Isargegend,
und ihre Qualität läßt keinen Zweifel an ihrer Ent-
stehung im unmittelbaren Zusammenhang des Moos-
burger Meisters. Ebenso sicher ist die Zuweisung der
„Klagenden Frauen“ (Nr. 57) an den Meister des Houls-
houter Altars. Solclie Reliefs aus den figurenreichen
Antwerpener Altären um 1500 sind ja nicht selten. Aber
die Siltensche Gruppe, von der das Berliner Museum
eine fast übereinstimmende Replik (Nr. 326) besitzt, ist
durch die großzügige Geschlossenheit von Form und
Ausdruck in den drei Trauernden unter dem Kreuz viel
mehr als ein nur kunsthistorisch interessantes
Fragment.

Dagegeri hat das Relief der betenden Jünger am
Mariengrabe aus einer Himmelfahrt der Jungfrau

(Nr. 31) den Charakter eines Teilstücks. Die lombar-
dische Herkunft des Birnholzreliefs, das richtig ndt einer
Darstellung desselben Themas von Amadeo in Campo-
marto verglichen wird, steht außer Frage, obwohl das
knittrige Faltenwerk und das Haargekräusel der eng
bei einander Knienden eine fast deutsch anmutende,
malerische Unruhe erzeugen. Es fehlt ja noch immer
eine eingehende Untersuchung der Zusammenhänge
zwischen deutschschweizerischer und italienischer
Kunst; die von Volbach zitierten lombardischen
Schnitzereien sind von der deutschen Forschung bisher
recht wenig, und die wichtigeji piemontesischen Altäre
im Museum von Turin u. a. 0. überhaupt kaum be-
achtet worden.

Der Engel aus Algardis Beweinung Christi
Mit Genelnnigung der C. Grote’sclien Verlagsbuchhandlung, Beriin

Als Übergangskunst aus jüngerer Zeit sei liier der
Schweizer Altar aus der Werkstatt der Aitz von 1668
(Nr. 64) erwähnt, der aus einer Kirche von Lausanne
stammen soll; ein stattlicher, reichgegliederter Aufbau
in dunklem Eichenholz, der recht geschickt in die Täfe-
lung des Herrenzimmers eingelassen ist; sein Wert
liegt im Dekorativen und in seiner Vollständigkeit, nicht
in der Schönheit der einzelnen Figuren und Reliefs.

Eine der jüngsten Erwerbungen dürfte der heilige
Martinus (Nr. 52 a) gewesen sein, eine treffliche Frei-
gruppe aus Schwaben von etwa 1440, die schon in den
Meisterwerken der Bildhauerkunst in Frankfurter Pri-
vatbesitz anläßlich der scliönen Ausstellung von 1921
veröffentlicht wurde.

Unter den Geinälden sind etliche aus dem Kreis der
Antwerpener Manieristen, die M. J. Friedländer m'-

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