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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Juniheft
DOI Artikel:
Martin, Wilhelm: Zur Rembrandtforschung: eine Entgegnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0485

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Dem Ganzen fehlt die plastische und auch die
atmosphärische Tiefenwirkung, wodurch Rembrandt
(man vergleiche nur den Segen Jacob’s von 1656 eben-
dort) uns den Raum malerisch empfinden läßt und wo-
durch er die Figur räumlich modelliert. Namentlich die
Tiefenillusion des Schoßes ist völlig mißlungen. Es
fehlt dem Bilde auch die Rembrandtische Wärme des
Gesamt-Tones. Es ist branstig und matt im Gesamt-
Aufbau wie in der Pinselftihrung. Nirgends kommt
auch nur e i n kräftiger Pinselstrich vor. Der Mund
bei Rembrandt ist immer interessant, Charakteraus-
drückend und als physiognomisches Ausdrucksmittel fiir

oder koloristische Bedeutung haben. Hier wirkt diese
Stelle nur als eine fehlerhafte Darstellung der Kleider.
So aber sieht es aus, als wäre nach einem nicht ver-
standenen Original Strich für Strich kopiert. Genau
derselbe Konflikt spielt sich zwischen Pelz und Hemd
auf der rechten Schulter ab. 1m Original muß dort
eine herrliche Lichtwirkung geherrscht haben, welche
dann der Kopist, nur Pinselstriche nachahmend, durch
sein Unverständnis verwischt hat.

Der Eindruck einer alten Kopie wird verstärkt
durch die Malweise der Hände, deren Beobachtung
felilt. Überall in den Händen erweist der Maler unge-

Nicht-Rembrandt.
l)er Architekt

Kassel, Galerie

den Meister von größter Bedentung, wobei er oben-
drein immer — anatomisch — als eine richtige Öffnung
dargestellt wird. Von alledem ist hier gar niclits vor-
handen. Auch die matten Augen, die schwach gebildete
Nase und der Haar- und Bartwuchs sind, obwoiil Rem-
brandtisch, doch nur halbverstandene Nachahmung.
Dem Schädelbau fehlt als Ausgangspunkt eine be-
stimmte Konzeption, der Bartwuchs ist unrichtig wie-
dergegeben und der Übergang zwischen Bart und
Hemd ist so, wie er nicht nur bei Rembrandt niemals
vorkommt, sondern wie er nur durch unverstandenes
Kopieren verursacht sein kann. Ebenso würde der
winklige Übergang zwischen Hemd und Pelzkragen
rechts, wenn er von Rembrandt wäre, mit Tempera-
ment hingestrichen sein und eine treffende malerische

nügende anatomische Kenntnisse. Die Biegung beim
Puls der herabhängenden Linken mit dem Winkeleisen
ist völlig falsch verstanden. Ganz vorsichtig, fast zim-
perlich sind, von unten nach oben, die Lichtstreifen des
Hemdes gegen die Hand, welche die Feder hält, ge-
malt. Und das gerade an einer Stelle, wo Rembrandt
selbst magisches Licht auf’s kräftigste aufgesetzt haben
würde!

Ärmlich sind auch die schwarzen dünnen Ränder,
von denen einer an der Tischplatte, ein zweiter längs
dem Winkeleisen, ein dritter den linkeri Ärmel entlang
vorsichtig angebracht ist. Es sind dies lineare Armuts-
zeugnisse, welche dazu dienen sollen, um die betreffen-
den Partien zu verdeutMchen. Die Umränderung eines
'l'eiles der Tischplatte soll die Auszieh-Platte eines alt-

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