Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 4./5.1922/23
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0488
DOI Heft:
1. Juniheft
DOI Artikel:Glück, Gustav: Aus der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0488
anderzusetzen. Aber nicht um ein Kornprorniß, wie im
alten und irn neuen Österreich so häufig, handelt es siclr
hier, sondern um eine Umformung und Neugestaltung,
die lediglich der Sache, das heißt: dern lutcresse der
Allgemeinheit dient.
Österreichisch um 144U. Die Verkiindigung des Engels an Joachim
Der Anfang wurde schon unter der Regierung des
. icinz jOsef gemacht. tvlan sah eitr, daß es bei
den damals schon beschränkten Mitteln, die zur Ver-
fügung standen, nicht von Vorteil sei, daß sowohl vorn
Hofe als auch vom Staate Werke neuerer Meister ge-
sammelt wiirden. Auf diese Weise hätte weder der
Hof noch der Staat eine anschauliche Vorstellung der
neueren Malerei, vor allem der österreichischen des
neunzehnten und des zwanzigsten Jahrhunderts, bieten
können. Eine Vereinigung beider vorhandenen Be-
stände wurde zum Programm gemacht und auf Antrag
des damaligen Oberstkämmerers Grafen Lanckoronski
sind dreißig der besten neueren Gemälde des Kunst-
historischen Museums der Staatsgalerie leihweise über-
lassen worden. Heute nun, da der Besitzstand der
beiden Sammlungen derselbe ist, wurden begreiflicher-
weise die letzten Folgerungen gezogen und die Ge-
mälde und Handzeichnungen neuerer Meister aus dem
Kunsthistorischen Museum endgültig der Öster-
reichischen Galerie übergeben, die sie zusammen mit
ihren eigenen Beständen im Obersten Belvedere aus-
stellen wird.
Dieser selbstverständlichen Einrichtung gegeniiber,
die ja durch die Vereinigung des Zusammengehörigen
und damit aucli zugleich durch die Vereinfachung der
auf diesem Gebiete bisher gesammelten Kunstschätze
fiihren muß, bot bis vor kurzem das sehr weite Pro-
grainm der Staatsgalerie in anderer Hinsicht gew'isse
Schwierigkeiten. Von dem feinsinnigen friiheren Direk-
tor Dr. Friedrich Doernhoeffer stammte der weit aus-
greifende Plan, die österreichische Kunst von ihren An-
fängen an bis auf die Gegenwart zu sammetn. Bei der
'Neugestaltung fragte es sich nun, ob aus diesem Pro-
gramm die letzten Konsequenzen zu ziehen wären und
ob man alles Österreichische, Gemälde und Skulpturen,
aus dem Kunsthistorischen Museurn verbannen und der
Österreichischen Galerie zuteilen solle. Hier lag die
Gefahr vor, durclr ein allzu systematisches Verfahren
die berühmte Sammlung ernstlich zu schädigen und der
jüngeren aufstrebenden eine schwere Last aufzubürden.
Und dabei liätte sich doch keine völlig lückenlose Dar-
stellung der Entwicklung der österreichischen Kunst
crgeben. da diese etwa von der Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts an bis in die ersten Jahrzehnte des acht-
zehnten kaum irgend ein bedeutendes Meisterwerk auf-
zuweisen hat.
So ergab sich denn eine, wie uns scheinen will,
außerordentlich glückliche Lösung, die auf eine dan-
kenswerte Anregung des Kunstreferenten im Unter-
richtsarnte, Ministerialrat Dr. Hans Tietze, von den
Direktoren der beiden großen Gemäldesammlungen
Wiens durchgeführt und in der letzten Zeit der All-
gemeinheit bekanntgemacht worden ist. Die öster-
reichischen Gemälde und auch einige Skulpturen des
achtzehnten Jahrhunderts, Erzeugnisse der Barockzeit,
die in einem internationalen Museum, wie es das Kunst-
historische ist, nie eine sehr bedeutende Rolle gespielt
hatten, wurden mit den Beständen der Österreichischen
Galerie auf diesem Gebiete zu einem ganz eigenartigen
Ganzen vereinigt, das unter der umsichtigen und ge-
schmackvollen Leitung des gegenwärtigen Direktors
der Österreichischen Galerie Dr. Franz Martin Haber-
ditzl in dem unvergleichlich passenden Rahmen des
Unteren Belvederes ein „Österreichisches Barock-
m.useum“ bildet. Hier kcmmt die bedeutende öster-
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alten und irn neuen Österreich so häufig, handelt es siclr
hier, sondern um eine Umformung und Neugestaltung,
die lediglich der Sache, das heißt: dern lutcresse der
Allgemeinheit dient.
Österreichisch um 144U. Die Verkiindigung des Engels an Joachim
Der Anfang wurde schon unter der Regierung des
. icinz jOsef gemacht. tvlan sah eitr, daß es bei
den damals schon beschränkten Mitteln, die zur Ver-
fügung standen, nicht von Vorteil sei, daß sowohl vorn
Hofe als auch vom Staate Werke neuerer Meister ge-
sammelt wiirden. Auf diese Weise hätte weder der
Hof noch der Staat eine anschauliche Vorstellung der
neueren Malerei, vor allem der österreichischen des
neunzehnten und des zwanzigsten Jahrhunderts, bieten
können. Eine Vereinigung beider vorhandenen Be-
stände wurde zum Programm gemacht und auf Antrag
des damaligen Oberstkämmerers Grafen Lanckoronski
sind dreißig der besten neueren Gemälde des Kunst-
historischen Museums der Staatsgalerie leihweise über-
lassen worden. Heute nun, da der Besitzstand der
beiden Sammlungen derselbe ist, wurden begreiflicher-
weise die letzten Folgerungen gezogen und die Ge-
mälde und Handzeichnungen neuerer Meister aus dem
Kunsthistorischen Museum endgültig der Öster-
reichischen Galerie übergeben, die sie zusammen mit
ihren eigenen Beständen im Obersten Belvedere aus-
stellen wird.
Dieser selbstverständlichen Einrichtung gegeniiber,
die ja durch die Vereinigung des Zusammengehörigen
und damit aucli zugleich durch die Vereinfachung der
auf diesem Gebiete bisher gesammelten Kunstschätze
fiihren muß, bot bis vor kurzem das sehr weite Pro-
grainm der Staatsgalerie in anderer Hinsicht gew'isse
Schwierigkeiten. Von dem feinsinnigen friiheren Direk-
tor Dr. Friedrich Doernhoeffer stammte der weit aus-
greifende Plan, die österreichische Kunst von ihren An-
fängen an bis auf die Gegenwart zu sammetn. Bei der
'Neugestaltung fragte es sich nun, ob aus diesem Pro-
gramm die letzten Konsequenzen zu ziehen wären und
ob man alles Österreichische, Gemälde und Skulpturen,
aus dem Kunsthistorischen Museurn verbannen und der
Österreichischen Galerie zuteilen solle. Hier lag die
Gefahr vor, durclr ein allzu systematisches Verfahren
die berühmte Sammlung ernstlich zu schädigen und der
jüngeren aufstrebenden eine schwere Last aufzubürden.
Und dabei liätte sich doch keine völlig lückenlose Dar-
stellung der Entwicklung der österreichischen Kunst
crgeben. da diese etwa von der Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts an bis in die ersten Jahrzehnte des acht-
zehnten kaum irgend ein bedeutendes Meisterwerk auf-
zuweisen hat.
So ergab sich denn eine, wie uns scheinen will,
außerordentlich glückliche Lösung, die auf eine dan-
kenswerte Anregung des Kunstreferenten im Unter-
richtsarnte, Ministerialrat Dr. Hans Tietze, von den
Direktoren der beiden großen Gemäldesammlungen
Wiens durchgeführt und in der letzten Zeit der All-
gemeinheit bekanntgemacht worden ist. Die öster-
reichischen Gemälde und auch einige Skulpturen des
achtzehnten Jahrhunderts, Erzeugnisse der Barockzeit,
die in einem internationalen Museum, wie es das Kunst-
historische ist, nie eine sehr bedeutende Rolle gespielt
hatten, wurden mit den Beständen der Österreichischen
Galerie auf diesem Gebiete zu einem ganz eigenartigen
Ganzen vereinigt, das unter der umsichtigen und ge-
schmackvollen Leitung des gegenwärtigen Direktors
der Österreichischen Galerie Dr. Franz Martin Haber-
ditzl in dem unvergleichlich passenden Rahmen des
Unteren Belvederes ein „Österreichisches Barock-
m.useum“ bildet. Hier kcmmt die bedeutende öster-
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