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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1./2. Juliheft
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Donath, Adolph: Corinth in der Nationalgalerie: die Neuordnung der Nationalgalerie - Karl Hagemeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0533

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„Richtungen“ unabhängiger Künstler wie Ury konnte
heraussagen, daß in der Kunst Corinths zum erstenmal
das große f r e i e Künstlertum zu Ausdruck kommt.

Zunächst regt uns in dieser Ausstellung der M a 1 e r
Corinth an, entzückt uns, begeistert uns. Wenn einer
einnlal vielleicht geirrt, irgendwie gefühlt hat, daß in
den ersten Perioden des Corinthschen Schaffens hier
etwa Leibl Pate stand, dort ein moderner Franzose: in
dieser Ausstellung der modernen Abteilung der Na-
tionalgalerie, der es glückte, 170 Bilder des Künstlers
geschmackvoll und entwicklungsgeschichtlich zu

Kraft in Berlin und in dcn wundervollen „Päonien und
Schwertlilien“, die Leo Lewin in Breslau bcsitzt.

Als Aktmaler und als Porträtist hat kaum ein
anderer von den deutschen Künstlern diesen vehemen-
ten Strich wie Lovis Corinth, diesen Sclnniß, der wirk-
lich von Gottesgnaden ist. Das Bildnis des Malers
George Mosson ist, glaube ich, in den Porträts bis 1914
die respektabelste Probe. Und unter den monumen-
talen Stücken, die im Treppenhause des Kronprinzen-
palais glänzend plaziert sind, scheint mir das Gemälde
„Theseus und Ariadne“ mit das gewaltigste. Aber 1914

Lovis Corinth, Kalin in Landschaft (Zeichnung) 1897. — Aus dem Corinth-Werke, Verlag Ernst Arnold, Dresden

hängen, muß man bekennen, daß bereits der Corinth der
achtziger Jahre er selbst gewesen ist, einer, der sich in
seine Modelle förmlich einbohrte, ihr Inneres aufgriff
und zwang. Er hat seinen Vater vergeistigt, ihm für
immer den Stenipel aufgedrückt: Der Vater von Lovis
Corinth. Uns als er dann im Anfang des neuen Jahr-
hunderts seine Frau, die hochbegabte Charlotte Berend
zu malen begann, vertiefte sich noch seine Geistigkeit,
sichtlich gefördert durch die eruptive Kraft seiner
Handschrift. Die Farbe klärt sich, klärt sich auf, hellt
sich auf, wird Licht. Eins der kostbarsten Stücke dieser
Reihe ist „Die Familie Rumpf“. „Meine beste Farbe“,
darf hier Lovis Corinth wohl von sich sagen. Und
diese „beste Farbe“ wird noch spritziger, noch vibrie-
render und lockender in den Stilleben bis 1912, wie in
dem „Stilleben und Mädchen“ aus der Sammlung Arthur

beginnt auch bei Corinth der Krieg: er führt ihn mit
seiner eigenen Kunst und führt ihn unbewußt. Nur bei
Hals und bei Rembrandt — und darauf deutet aucli Ury
hin — spürt man diese Auffrischung des inneren Ge-
staltens, diese Aufrollung noch ungeweckter Künstler-
triebe nach flutenden Farben und Farbeneiementen.
Der Walchensee, wo Lovis Corinth alle Jahre Erholung
sucht, wird ihm zu einer Farbenwelt, deren immer sich
erneuernde Farbenspiele er unvergleichlich zu bannen
weiß, die Blumenstücke, die er in der Natur erschar.t
(die Chrysanthemen der Sammlung David Leder,
Berlin, sind eins der ragendsten Beispiele) glühen
in wilder Pracht auf, die Bildnisse, die er fixiert (wie
etwa die von Dr. Arthur Rosin, dem Fhepaar Göritz und
dem Maler Paul Hans Ohmert) beugen sich seiner ele-
mentar wirkenden Malergeistigkeit. Und dazu kommen

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