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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1./2. Juliheft
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Donath, Adolph: Corinth in der Nationalgalerie: die Neuordnung der Nationalgalerie - Karl Hagemeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0534

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die Selbstbildnisse aus den letzten Jahren, das eine
rembrandteske mit dem breiten Hut und das Selbst-
bildnis vom 21. Juni 1923, das nocli ganz nai.t in die
Nationalgalerie einzog.

Als ich die Ausstellung verließ, kam gerade Lovis
Corinth mit seiner Frau an. „Wie ist denn die Aus-
stellung?“ fragte er (denn cr ist selten mit sich zu-
frieden). „Prachtvoll“, sagte ich. Worauf er scherz-
haft erwiderte: „Voll Pracht“. Ja wirklich voll Pracht,
voll iiberwältigender Pracht!

*

Justi hat aber diesmal niclit bloß die neue Ab-
teilung der Nationalgalerie zu Ehren gebracht, sondern
auch die altc. Er hat das 1876 eröffnete Haus geradezu
n e u ausgestaltet. I)ie unglückselige Architek-
tur mancher Räume wurde durch Anbringung von
Leisten gemildert, die Wandbespannung mit Ililfe des
Malers Paul Ohmert, der sich in uneigennütziger
Weise zur Verfiigung stellte, geschmackvoll abgetönt,
die Bilder selbst wurden in lockerer Anreihung unauf-
dringlich, aber wirksam gehängt. So ist jetzt eine
Harmonie der Aufstellung erreicht, daß der Besucher
die Malerei des 19. Jahrhunderts genießen kann, ohne
zu ermüden oder sich zu langweilen.

Feuerbachs „Gastmahl des Platon“ empfängt uns.
Mir persönlich ist sein Urbild, das ich erst kürzlich in
der Kunsthalle in Karlsruhe wiedersah, mehr ans Herz
gewachsen als die Berliner Wiederholung, doch ich
muß gestehen, daß durch die Justische Anordnung das
Gold der Berliner Replik nicht mehr so knallig erscheint
wie früher. Und daß in den gleichen Wandelgang die
Klinger aus der Villa Albers in Steglitz hineingesetzt
wurden, gleichsam als Überleitung zu den Marees- und
Böcklin-Sälen, ist aucli ein glücklicher Griff. Ein raf-
finierter, aber feiner Effekt ist dann der Fernblick auf
Menzels geniales „Hochkirch“. Gut repräsentieren sich
schließlich die l'homa- und Feuerbach-Säle.

Die „Apokalyptischen Reiter“ von Cornelius (der
Karton von 1846), die unter den Kartons wohl das
Hauptstiick sind — die übrigen wurden magaziniert
bilden den Auftakt zu der Bilderschaii des ersten Stock-
werks: sie hängen im Treppenhause, gegenüber dem
Eingang zum einstigen Cornelius-Saal, wo heute die
schöne Karl Hagemeister-Leihausstellung zu sehen ist.

Aber der Saal mit den Freskcn des Casa Bartholdy
blieb vorläufig unberührt. Hoffentlich wird Justi aucli
liier einmal die richtige Aufstellung schaffen. Dafür
geben siclr jetzt die Leibl- und Trübner-Säle geschlos-
sener als zuvor.

Der Korridor mit der Gruppe Schuch-Hagemeister
ftihrt zu dem Krüger-Saal mit den zwei großen Krüger
aus Petersburg, die oline das Zutun des Leiters der
Nationalgalerie kaum nach Berlin gekommen wären.
Und außer dem Krüger-Saal ist hier eine der Edel-
perlen, der Walmüller-Saal mit den sieben Pracht-
exemplaren des Wiener Meisters, in deren Reilie „des
Künstlers Tochter Aloisia“, soviel ich mich erinnere,
erst knapp vor dem Kriege erworben werden konntc.
Daneben fällt noch der Ausländer-Saal auf mit den Con-
stable, Courbet, Daubigny usw.

Im dritten Stock nun brilliert die Kunst des be-
ginnenden 19. Jahrhunderts, mit der einst der schwe-
disch-norwegische Konsul Wagener seine Sammlung
geschmückt hatte, die den Grundstock zu den Be-
ständen der Nationalgalerie darstellt. Schadow und
Schinkel dominieren hier neben den Nazarenern und
neben dem herrlichen Kaspar David Friedrich, dessen
Mond- und Gebirgsstimmungen wie Vorahnungen der
gemalten Licht- und Luftpoesien von Lesser Ury an-
muten. Man hat wahrhaftig seine Freude an diesen
blau getcnten Sälen und ihren feinfühlig geordneten
Bilderschätzen.

*

Auch darüber darf man sich freuen, daß der 75 jäh-
rige Karl Hagemeister durch eine Schau seiner
großen Formate aus den letzten Jahren geehrt wird.
Es ist Einheitlichkeit in dieser Ausstellung. Die mäch-
tigen Seestücke, die er vor acht und neun Jahren an der
Ostsee gemalt hat — ich sah sie schon im Frühling 1915
bei ihm draußen in Werder — wechseln ab mit den ur-
wtichsigen Ausschnitten von der Havel. Hagemeisters
„Wellen“ können sich ruhig sehen lassen neben den
See-Motiven eines Courbet und gehen in der Wucht der
Malerei manchmal sogar über Courbet hinaus. Und
seine.Havellandschaften sind bald von so intimer Innig-
keit, bald von so brennender Farbenintensität, daß man
auch im jüngsten Schaffen dieses einsamen Meisters
kein Altern zu spüren vermeint.
 
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