Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 16.1973

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Buchbesprechungen
DOI Artikel:
Pfister, Raimund: [Rezension von: H.-J. Hillen, Lateinische Grammatik]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33067#0054

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der Deklinationsausgänge. Auch ein formbezogener Strukturalismus muß Form und
Distribution nebeneinander sehen. Daß bei den Ergänzungen die Kasus von einem
Verbum ,regiert1 werden (wovon die historische Syntax wenig hielt), was die theoreti-
sche Basis für das nur zum Teil zu Recht geschmähte „Konstruieren“ vom Verbum
her abgibt, wird jetzt durch die Dependenzgrammatik wieder in den Vordergrund
gerückt. Etwa der Abi. bei uti, frui usw. ist für den Schüler primär eine Angelegen-
heit dieser Verben, nicht der Substantiva. Ähnlich ist es bei den ergänzungsbedürftigen
Adjektiven („begierig, kundig . . .“), wo etwa bei plenus aquae (§ 65) erst das Adjektiv
es ermöglicht, bei aquae „die Form als solche“ zu erfassen. Da eine systematische Gram-
matik die Kenntnis des ganzen Systems mehr oder weniger voraussetzen muß (worauf
besonders von Strukturalisten hingewiesen wurde), kann es das Ei des Kolumbus für
die Stoffanordnung nicht geben. Wenn man nicht zur Verzweiflungslösung der un-
systematischen, rein methodisch angelegten Begleitgrammatik greifen will, muß man
Kompromisse schließen. Die Anordnung H.s ist praktikabel bei den Adjektiven und
Pronomina (der Relativsatz setzt freilich die gesamte Satzlehre voraus). Die Konjunk-
tionalsätze werden - vor der Satzlehre — in einem Abschnitt „Die Konjunktionen“ be-
handelt, ein Zankapfel schon seit Waldecks Zeiten, vgl. die Polemik Vretska-Borne-
mann, Gymnasium 62, 1955, 486. 575. Vorteilhaft ist, daß so die abhängigen Begehrs-
sätze mit ut und die adverbialen Finalsätze mit ut sowie die ut-Sätze nach Ausdrücken
des Mächens und Geschehens und die adverbialen Konsekutivsätze zusammenrücken
(die bei Leitschuh konsequent nach dem auf Herling zurückgehenden System getrennt
sind), und die Sätze mit cum und quin gemeinsam behandelt werden. Die Schattenseite
zeigt sich etwa bei der völligen Zerreißung der Konzessivsätze (§§ 313, 320c, 335, 336,
347). Wenn die Forderung Waldecks (Prakt. Anleitung3 141), daß „nicht mehr die
äußere Form, sondern der Inhalt, der Gedanke selbst zum maßgebenden Gesichtspunkt
gemacht wird“, nun in Hinblick auf die Herübersetzung wieder aufgegeben wird, so
verliert jedenfalls die Grammatik an Eignung für formale Denkschulung. Ein inkonse-
quentes, aber praktisches System wie bei Rubenbauer-Hofmann scheint mir immer
noch vorzuziehen.
Hervorgehoben werden muß die hohe Zuverlässigkeit - da heute leider nicht mehr
selbstverständlich -, so bei den Quantitätsangaben, der Qualität des Lateins auch in
selbstgemachten oder vereinfachten Sätzen, und die Selbständigkeit, die sich etwa bei
der Consecutio temporum. in nicht innerlich abhängigen Sätzen (§ 263a) zeigt, wo
gegenwärtig viele Grammatiken übereinstimmend falsche Angaben machen. Der Ver-
wendung des umstrittenen Terminus ,Prädikativumc stimme ich im ganzen zu (das
participium coniunctum bräuchte § 291 nicht unter den Tisch zu fallen), doch möchte
ich die Ergänzung ergänzungsbedürfrger Verba, also Tellus beatus putatur (§ 365d),
mit anderen (z. B. Waldeck, Bornemann, Throm) als Prädikatsnomen bezeichnen. Der
Komplex ,Prädikativum‘ müßte mit den Mitteln der Transformationsgrammatik (Ein-
bettungstransformation) bzw. der „prädikationsbezogenen Satzbetrachtung“ E. Freys
(Deutschunterricht 18/5/1966, 28 ff.) neu angegangen werden, wobei dann etwa „vor-
ausgesetzte Prädikationen“ (Attribute) und „aktuelle Prädikationen“ unterschieden
werden müßten. Durch die Transformationsgrammatik kommt Traditionelles wieder
zur Geltung (vgl. dazu Lyons, Einf. in die mod. Linguistik); so wird hier mit Recht
die Satzwertigkeit des Acl betont (§ 272). Über die richtige Stelle des ablativus abso-
lutus, der im alten Englmann bei den Nebensätzen stand, dann bei Landgraf in die
Lehre von den Nominalformen des Verbums vorrückte und schließlich vielfach (so
auch hier) in die Kasuslehre, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Daß eine Schul-
grammatik, besonders eine so materialreiche wie diese, nicht mit noch unerprobten
linguistischen Methoden vorpreschen kann, ist klar.
Über den Erfolg eines Schulbuches entscheidet nicht allein die wissenschaftliche Qua-

18
 
Annotationen