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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 16.1973

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Nr. 2
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Buchbesprechungen
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Herrmann, Franz Xaver: [Rezension von: Gregor Maurach, Der Bau von Senecas epistulae morales]
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Herrmann, Franz Xaver: [Rezension von: Marion Lausberg, Untersuchungen zu Senecas Fragmenten]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33067#0060

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werden in den ersten Briefen nur angedeutet, später folgt die ausführliche Entfaltung.
Am Anfang steht das Einfachere, das erst schrittweise präzisiert wird, zum Teil hebt
sich aber auch schon im ersten Briefkreis der Ton bei Ausblicken auf Endziele. Wenn
zahlreiche Epikurzitate in den bis zum Brief 29 üblichen Epilogen bei dem Stoiker
auffallen, so können auch sie als ein behutsames Vorgehen gegenüber unentschiedenen
Lesern gedeutet werden, die sehen sollen, daß in den Grundlehren keine starke Ver-
schiedenheit besteht.
Die Briefkreise weisen in sich oft recht verwickelte Beziehungen auf. Zusammen-
gehörige Briefpaare (etwa 1-2 und 4-5), die sich ergänzen und korrigieren, sind
manchmal von Briefen, die sozusagen in Hyperbatonstellung zusammengehören (wie
3 und 6), getrennt und umrahmt. Auch sonst hat Seneca mit Absicht variiert: Er
wechselt ab zwischen paränetischen und theoretischen Argumentationsformen. Nach
Briefen mit zurückhaltenderem Ton (remissiore voce) kann sich gehobener Ton besser
abheben (ex intervallo surgere) und wirken. Durch immer wieder andere überraschende
Briefanfänge wird dem Leser gar nicht bewußt, mit welchem Erfindungsreichtum sich
Seneca bemühte, die Darstellung des stoischen Systems nicht lehrhaft langweilig werden
zu lassen, sondern scheinbar unsystematisch das große Lehrgebäude in schmackhafte
Bissen zerlegt darzubieten. Aber Anklänge an frühere Formulierungen, Wiederauf-
nahme von Dichterzitaten, einheitsstiftende Nebenthemen und Epiloge, Ergänzungen
und Korrekturen, dazu gedankliche Vorbereitung von Späterem machen gewiß, daß
Seneca beim einzelnen Brief an ein größeres Ganzes dachte. Mit der Erkenntnis eines
planvoll aufgebauten Briefcorpus verträgt sich natürlich keinesfalls mehr die An-
nahme, die Briefe seien echte, abgeschickte Schreiben.
Maurach hat sich auch gefragt, ob Seneca für die Darstellung eines größeren Stoffes
in kürzeren Briefen Vorbilder hatte. Er erwägt die Beziehungen innerhalb des plato-
nischen Briefcorpus und in anderen Briefsammlungen und findet Ähnlichkeiten der An-
ordnung imden Briefen des Apollonios von Tyana und in den Horazepisteln.
In der Vorbemerkung S. 8 sagt der Verfasser zwar, er habe seinen Text geschrieben
auf das achtend, was Studierende und Lehrer brauchen, wenn sie Seneca genauer lesen
und Schülern näherbringen wollen. Tatsächlich können seine Analysen auch helfen,
den Gedankengang einzelner Briefe und ihren Sinn im größeren Rahmen eines Brief-
kreises besser zu verstehen. Doch für die Praxis des Gymnasiums wird sich zunächst
die nicht leichte Aufgabe stellen, neu zu überdenken, welche Briefe für die Lektüre
ausgewählt werden sollen, falls die Bezüge der Briefe aufeinander mehr Beachtung
verdienen. Dafür fehlt aber noch die Klärung der Beziehungen in den Briefen 33-59
undt-- nicht ganz so dringend - 81-124. Die Rücksicht auf gegenseitige Beziehungen
wird die Auswahl bedeutend erschweren, könnte aber die Interpretation unterstützen.
Schließlich wäre noch ein Druckversehen zu bereinigen: In einer Aufzählung einiger
Stellen mit Personifikationen ist S. 91 in der Anmerkung 55 angegeben Lucr. 9, 32;
gemeint ist sicher Lukrez 3, 931 ff. In die Aufzählung wäre außer späteren Beispielen
noch einzureihen Sallust ep. 2,13. F. X. Herrmann

Marion Lausberg: Untersuchungen zu Senecas Fragmenten. Untersuchungen zur an-
tiken Literatur und Geschichte, Band 7. De Gruyter-Verlag. Berlin 1970; X, 272 S.
Ganzleinen. DM 68,-.
Für eine geplante neue Ausgabe der Fragmente Senecas untersuchte Marion Lausberg
in einer Münsteraner Dissertation Reste der Schriften Exhortationes, De immatura
morte, Libri moralis philosophiae und De superstitione. Die ersten drei dieser Schrif-
ten sind bei Laktanz faßbar, aus De superstitione würde Augustinus umfangreiche
Exzerpte bieten, doch kommt es in Lausbergs Untersuchung mehr darauf an, die Ver-

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