Wertung dieser Schrift bei Minucius Felix und Laktanz zu beobachten und zu Schlüssen
über die richtige Abgrenzung der Zitate zu kommen. Deshalb ist der Besprechung der
Seneca-Fragmente ein erster Teil zu Laktanz (S. 13-50) vorausgeschickt. Darin sind
die Stellen besprochen, in denen erkennbar wird, wie Laktanz Seneca beurteilt. Dieser
ist ihm morum vitiorumque publicorum et descriptor verissimus et accusator acerrimus
(inst. 5, 9, 19). Laktanz lobt Senecas Gottesbegriff und Theodizee. Wo allerdings zu
einer Frage etwa gleichartige Äußerungen von Cicero und Seneca vorliegen, gibt
Laktanz den Vorzug fast immer einer Stelle bei Cicero, dem er eine besondere Nähe
zur Wahrheit zutraut, wie die Bemerkung lehrt: eodem ductus errore Seneca - quis
enim veram viam teneret errante Cicerone (inst. 3, 15, 1). Den Stil Senecas lehnt der
Ciceronianer Laktanz ab, ohne es ausdrücklich zu sagen; er wollte offenbar nicht un-
nötig die Autorität Senecas schmälern, welche die Voraussetzung für das Gewicht der
Zitate aus ihm bildet. Aber wenn Laktanz an Stelle parataktischer Fügung Senecas
eine logische Verknüpfung der Glieder in einem einzigen Satz wählt (inst. 5, 17, 24),
wird sein stilistisches Urteil erkennbar. Als wichtig für den Zweck der Untersuchung
erweist sich die schon ältere Beobachtung, daß Laktanz Zitate in die eigene Sprache
umformt, wenn er sie indirekt berichtet; direkte Zitate referiert er ziemlich wörtlich.
Der zweite Hauptteil (S. 53-227) bringt den Text der sicheren Fragmente und er-
klärt sie und die möglichen Einflußsphären im Umkreis. Daneben wird auch unter-
sucht, ob weitere Stellen von verlorenen Senecaschriften stammen könnten, vor allem
wenn ähnliche Gedanken in Senecas Briefen oder erhaltenen Abhandlungen vorliegen
und nach dem Titel der verlorenen Schriften vermutet werden kann, daß Seneca sich
auch dort zu dem Thema äußerte. Weil zur richtigen Beurteilung der Fragmente wichtig
ist, in welchen Zusammmenhang sie gehören, werden auch ähnliche Gedankenfolgen
bei anderen Autoren mitbesprochen. So ergeben sich nebenbei aufschlußreiche Ver-
gleiche mit Parallelstellen. Unter anderem werden erörtert die Themen protreptische
Literatur (S. 53 ff. zu den Exhortationes), Philosophie und Lebensführung (zu den
Fragmenten 18, 19, 20), die Offenheit der Philosophie für alle Menschen und die
Wertlosigkeit der äußeren Güter (frg. 23 und verwandte Stellen), die Zurückweisung
der Vorwürfe gegen die göttliche Vorsehung (zu frg. 26 aus De immatura mort'e),
Tugend und Unsterblichkeit (frg. 27), der Angriff auf das Jupiterbild der Dichter (zu
frg. 122 aus den Libri moralis philosophiae), orientalische Kulte (zu den Fragmenten
34 und 35 aus De superstitione). Diese Erörterungen zeigen ein beachtliches Ausmaß
von Literaturverarbeitung und Selbständigkeit im Urteil gegenüber anderen Ansichten.
Die Benützung des drucktechnisch sehr sorgfältig gestalteten Buches ist durch aus-
führliche Register (S. 240-272) zu Stellen, Namen und Sachen, griechischen und latei-
nischen Wörtern erleichtert. Abschließend muß vielleicht noch erwähnt werden, daß
wegen der besonderen Ausrichtung der Dissertation auf die Verwendung Senecas bei
den Apologeten Laktanz und Minucius Felix von den verlorenen Schriften Senecas nur
nebenbei berührt sind De officiis, De matrimonio, De remediis fortuitorum, De situ
et sacris Aegyptiorum. F. X. Herrmann
Gerhard Binder: Aeneas und Augustus. Interpretationen zum 8. Buch der Aeneis (Bei-
träge zur klass. Philol. 38). Hain, Meisenheim 1971. 299 S. DM47,-.
Darüber, daß Vergil ein Platz unter den Schulautoren gebührt, wird man nicht strei-
ten; doch darüber, welche Gesichtspunkte Textauswahl und Lektüre bestimmen sollen,
wird man sich nicht so leicht einigen: die Begegnung mit der Kunst des Dichters durch
Analyse der Sprache und der Bauformen des Epos und/oder die Erschließung inhalt-
licher Komponenten (Sendungsbewußtsein der Römer; Götter und Fatum; die Gestalt
des pius Aeneas - für andere Leitlinien s. etwa H. Trümpner, A U VI 3, 1963, 7). Für
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über die richtige Abgrenzung der Zitate zu kommen. Deshalb ist der Besprechung der
Seneca-Fragmente ein erster Teil zu Laktanz (S. 13-50) vorausgeschickt. Darin sind
die Stellen besprochen, in denen erkennbar wird, wie Laktanz Seneca beurteilt. Dieser
ist ihm morum vitiorumque publicorum et descriptor verissimus et accusator acerrimus
(inst. 5, 9, 19). Laktanz lobt Senecas Gottesbegriff und Theodizee. Wo allerdings zu
einer Frage etwa gleichartige Äußerungen von Cicero und Seneca vorliegen, gibt
Laktanz den Vorzug fast immer einer Stelle bei Cicero, dem er eine besondere Nähe
zur Wahrheit zutraut, wie die Bemerkung lehrt: eodem ductus errore Seneca - quis
enim veram viam teneret errante Cicerone (inst. 3, 15, 1). Den Stil Senecas lehnt der
Ciceronianer Laktanz ab, ohne es ausdrücklich zu sagen; er wollte offenbar nicht un-
nötig die Autorität Senecas schmälern, welche die Voraussetzung für das Gewicht der
Zitate aus ihm bildet. Aber wenn Laktanz an Stelle parataktischer Fügung Senecas
eine logische Verknüpfung der Glieder in einem einzigen Satz wählt (inst. 5, 17, 24),
wird sein stilistisches Urteil erkennbar. Als wichtig für den Zweck der Untersuchung
erweist sich die schon ältere Beobachtung, daß Laktanz Zitate in die eigene Sprache
umformt, wenn er sie indirekt berichtet; direkte Zitate referiert er ziemlich wörtlich.
Der zweite Hauptteil (S. 53-227) bringt den Text der sicheren Fragmente und er-
klärt sie und die möglichen Einflußsphären im Umkreis. Daneben wird auch unter-
sucht, ob weitere Stellen von verlorenen Senecaschriften stammen könnten, vor allem
wenn ähnliche Gedanken in Senecas Briefen oder erhaltenen Abhandlungen vorliegen
und nach dem Titel der verlorenen Schriften vermutet werden kann, daß Seneca sich
auch dort zu dem Thema äußerte. Weil zur richtigen Beurteilung der Fragmente wichtig
ist, in welchen Zusammmenhang sie gehören, werden auch ähnliche Gedankenfolgen
bei anderen Autoren mitbesprochen. So ergeben sich nebenbei aufschlußreiche Ver-
gleiche mit Parallelstellen. Unter anderem werden erörtert die Themen protreptische
Literatur (S. 53 ff. zu den Exhortationes), Philosophie und Lebensführung (zu den
Fragmenten 18, 19, 20), die Offenheit der Philosophie für alle Menschen und die
Wertlosigkeit der äußeren Güter (frg. 23 und verwandte Stellen), die Zurückweisung
der Vorwürfe gegen die göttliche Vorsehung (zu frg. 26 aus De immatura mort'e),
Tugend und Unsterblichkeit (frg. 27), der Angriff auf das Jupiterbild der Dichter (zu
frg. 122 aus den Libri moralis philosophiae), orientalische Kulte (zu den Fragmenten
34 und 35 aus De superstitione). Diese Erörterungen zeigen ein beachtliches Ausmaß
von Literaturverarbeitung und Selbständigkeit im Urteil gegenüber anderen Ansichten.
Die Benützung des drucktechnisch sehr sorgfältig gestalteten Buches ist durch aus-
führliche Register (S. 240-272) zu Stellen, Namen und Sachen, griechischen und latei-
nischen Wörtern erleichtert. Abschließend muß vielleicht noch erwähnt werden, daß
wegen der besonderen Ausrichtung der Dissertation auf die Verwendung Senecas bei
den Apologeten Laktanz und Minucius Felix von den verlorenen Schriften Senecas nur
nebenbei berührt sind De officiis, De matrimonio, De remediis fortuitorum, De situ
et sacris Aegyptiorum. F. X. Herrmann
Gerhard Binder: Aeneas und Augustus. Interpretationen zum 8. Buch der Aeneis (Bei-
träge zur klass. Philol. 38). Hain, Meisenheim 1971. 299 S. DM47,-.
Darüber, daß Vergil ein Platz unter den Schulautoren gebührt, wird man nicht strei-
ten; doch darüber, welche Gesichtspunkte Textauswahl und Lektüre bestimmen sollen,
wird man sich nicht so leicht einigen: die Begegnung mit der Kunst des Dichters durch
Analyse der Sprache und der Bauformen des Epos und/oder die Erschließung inhalt-
licher Komponenten (Sendungsbewußtsein der Römer; Götter und Fatum; die Gestalt
des pius Aeneas - für andere Leitlinien s. etwa H. Trümpner, A U VI 3, 1963, 7). Für
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