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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 16.1973

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Nr. 2
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Buchbesprechungen
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Schießer, H.: [Rezension von: Viktor Pöschl, Römische Geschichtsschreibung]
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[Rezension von: Karl Christ (Hrsg.), Der Untergang des römischen Reiches]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33067#0069

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Humaniorum Litterarum Lundensis, 1960/61, Nr. 2, 1962). Der verhältnismäßig um-
fangreiche Bericht Gjerstads über Ergebnisse der archäologischen Forschung zum älte-
sten Rom bildet insofern einen harmonischen Abschluß des Buches, als er dem Leser
die Grenzen der Forschung auf dem Gebiet der ältesten römischen Geschichtsschreibung
eindringlich vor Augen führt und, wie Pöschl sagt, „Unglaubwürdiges von Glaub-
würdigem“ scheidet.
Pöschls Buch kann allen, die sich für römische Geschichtsschreibung und für römische
Geschichte überhaupt interessieren, wärmstens empfohlen werden. Vor allem aber wird
der von Reform zu Reform gehetzte Gymnasiallehrer, der oft nur noch mit äußerster
Selbstdisziplin Zeit zur Weiterbildung findet, den Band mit großer Dankbarkeit ent-
gegenehmen. FF. Schießer
Der Untergang des römischen Reiches. PFerausgegeben von Karl Christ. Wissenschaft-
liche Buchgesellschaft. Darmstadt 1970 (= Wege der Forschung Band 269). 498 Seiten.
Ladenpreis 55,- DM; Vorzugspreis für Mitglieder 35,40 DM.
In diesem Band sind 19 wissenschaftliche Abhandlungen oder Beiträge namhafter
Autoren zusammengestellt, die sich mit dem Thema des Untergangs des römischen
Reiches beschäftigen. Den Auftakt bildet der wichtige Aufsatz von Edward Gibbon
aus dem Jahre 1781: Allgemeine Betrachtungen über den Fall des Weströmischen
Reichs. Das Gros der Abhandlungen stammt aus der Zeit zwischen 1895 und 1968.
Wer sich die Reihenfolge der Titel ansieht, kann aus ihr auch eine Geschichte der Ge-
schichtsbetrachtung ablesen. Viele Aufsätze spiegeln den allgemein in der Geschichts-
wissenschaft vorherrschenden Trend.
Es kann hier nicht Aufgabe sein, Qualifizierungen vorzunehmen, wenn sich etwa
Titel finden wie: Die Ausrottung der Besten von Otto Seeck (1895) oder Rassenmischung
im Römischen Reich von Tenney Frank (1916). Liier ist es ratsam, den Herausgeber
Karl Christ selbst zu Wort kommen zu lassen: „Die Beschäftigung mit der Frage nach
den Ursachen des Untergangs des Römischen Reiches vermittelt einen Eindruck der
Vielfalt der Aspekte und Methoden der Geschichtswissenschaft, einer Vielfalt, die da-
durch entsteht, daß praktisch jede Generation von Historikern den politischen, gesell-
schaftlichen, religiösen und geistigen Erfahrungen ihrer eigenen Zeit immer neue Kate-
gorien entnimmt. Diese Vielfalt ist so durchaus legitim, ja notwendig, soll das Fach
nicht erstarren.
In gleichem Maße, wie sich die Geschichtswissenschaft und andere Disziplinen neuer
Perspektiven bedienen, die nicht primär aus dem Niederschlag antiker Zeugnisse ge-
wonnen, sondern vom Standort der Gegenwart entworfen sind, wächst die Gefahr, daß
das unberücksichtigt bleibt, was die moderne Forschung als ,Selbstverständnis' be-
zeichnet. Das heißt, die moderne Geschichtswissenschaft muß sich immer von neuem
fragen, ob ihre Interpretation und Wertung dem gerecht wird, was die Menschen der
zu erforschenden Epoche selbst glaubten und dachten, wollten und litten. Diese Men-
schen verstanden sich ja - in unserem Falle keineswegs - primär als Partikel einer
Sklavenhalterkultur, eines Wirtschaftskörpers, einer verbürgerlichten Gesellschaft oder
eines vor Jahrhunderten formierten Zivilisationsverbandes - sondern, wie die Artiku-
lationen ihrer Gestaltungen insbesondere in der Literatur und in der Kunst belegen,
als altgläubige oder christliche Angehörige des Römischen Reichs. Ihre Gedanken krei-
sten nicht um Feudalismus, Marktwirtschaft oder um Gesetze einer Zivilisation. Ihr
Leben wurde vielmehr beherrscht von dem erstickenden Druck des spätantiken Zwangs-
staates, von der Furcht vor Barbareneinfällen und von der Sorge um den rechten
Glauben. Jede Theorie, die darüber hinwegblendet, wird eine im Grunde antihistorische
geistige Konstruktion bleiben, die dem einmaligen, individuellen Leben in seiner Zeit
nicht gerecht wird.“

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