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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 16.1973

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Nr. 2
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Buchbesprechungen
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Herrmann, Franz Xaver: [Rezension von: Aristoteles, Politik, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Olof Gigon]
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Keulen, Hermann: [Rezension von: Uvo Hölscher (Hrsg.), Parmenides, Vom Wesen des Seienden]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33067#0075

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Natur aus ein politisches Lebewesen; seine energische Bejahung des Staates sei auf
dem Hintergrund von Staatsüberdrüssigkeit zu verstehen. Für die Beziehungen und
Unterschiede zwischen dem Staatsdenken Platons und dem des Aristoteles gilt nach
Gigon: für Platon sind die technischen Einzelheiten nur Vordergrund seines eigent-
lichen Anliegens der Wissenschaft vom Guten; Aristoteles nimmt die empirischen Ein-
zelheiten auch als solche und gibt mehr vereinzelt philosophische Hinweise.
Vor einer Inhaltsanalyse der Politik legt Gigon seine Auffassung von ihrer literari-
schen Form dar: In der vorliegenden Politik sind Vorlesungsmanuskripte verschiedener
Art und Ausführlichkeit aus verschiedenen Jahren zu sehen, die irgendwann nach dem
Tode des Aristoteles nach einheitlichem Plan zusammengestellt wurden. Lücken, Wie-
derholungen, Widersprüche sind dabei unvermeidlich, unvereinbare Doktrinen stehen
gelegentlich nebeneinander. Die Forschung muß erst noch genauer herausarbeiten, wo
in der Politik etwa Kurzfassungen von Gedanken publizierter und uns verlorener
Schriften des Aristoteles vorliegen wie der vier Bücher „Über die Gerechtigkeit“, der
zwei Bücher „Über den Staatsmann“, der Schriften „Uber das Königtum“, „Alexander
oder die Verteidigung der Kolonisten“, der Sammlung von 158 Verfassungen und
Verfassungsgeschichten griechischer und nichtgriechischer Staaten; auch der „Protrepti-
kos“ und „Eudemos“ könnten für einige Teile in Frage kommen. Bei der Besprechung
der Sonderstellung des 7. und 8. Buches weist Gigon auf die Beziehungen hin zum An-
fang der Politik. Er hält das erste, siebte und achte Buch für eine ursprüngliche Ein-
heit: „Der Traktat über die Grundlegung des Staates und den vollkommenen Staat
war ursprünglich einer und derselbe. Bei der Redaktion des Textes wurde er ausein-
andergerisssen“ (S. 49).
In der Übersetzung versteht Gigon sehr gewandt, den Textsinn in einer modernen
Sprache wiederzugeben. Er hält nicht ängstlich an wörtlicher Umsetzung fest, wenn
sich durch Begriffe, die in der wissenschaftlichen Sprache heute üblich sind, das Gemeinte
kürzer und doch deutlicher sagen läßt. So trifft man auf sehr viele Worte, die man
in einer Übertragung aus dem Griechischen des vierten Jahrhunderts vor Christus viel-
leicht nicht erwarten würde, z. B.: Instanz, Klub, Kollegium, Kombination, Kompe-
tenz, Kontinuität, Konstanz, liberal, Originalität, produzieren, Revolution, Rivalität,
Usurpator. Eine erfreuliche Verbesserung gegenüber der ersten Auflage liegt darin, daß
die Zeilenzählung des griechischen Textes der Berliner Akademieausgabe am Rande
der Übersetzung mitläuft.
Das eigentlich Neue und auch für den, der schon eine Politikübersetzung besitzt,
Wertvolle ist der umfangreiche Kommentar. Ähnlich wie Gigons Kommentare zu
Ciceros Tusculanen und zur Consolatio Philosophiae des Boethius zeichnet er den
Gedankengang nach, macht auf schlecht in den Kontext eingepaßte Abschnitte und
auf Gedankensprünge aufmerksam, verweist auf ähnlichen Stoff in publizierten Schrif-
ten, schließt aus exzerptartiger Kürze auf einen zugrundeliegenden Dialog, notiert Stil-
wechsel, nennt erhaltene und vermutete Quellen für Aristoteles, hebt beachtenswerte
oder befremdliche Thesen hervor. Schade ist nur, daß dieser ausgezeichnete Kom-
mentar so klein gedruckt wurde und der solide Leinenband nicht preiswerter kalkuliert
werden konnte. F. X. Herrmann

Parmenides. Vom Wesen des Seienden. Die Fragmente, griechisch u. deutsch. Heraus-
gegeben, übersetzt und erläutert von Uvo Hölscher = Theorie Bd. 1. Suhrkamp-Ver-
lag. Frankfurt 1969. 127 S. DM 8,-.
Trotz der Kürzung der Stundenzahl im Fach Griechisch wird man wohl nur ungern
auf die Lektüre einzelner Vorsokratiker verzichten. Zudem sind in den letzten Jahren
wichtige Arbeiten methodischer sowie didaktischer Art, aber auch Einzelinterpreta-

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