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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 16.1973

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Nr. 2
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Buchbesprechungen
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Classen, Carl Joachim: [Rezension von: Gerhard Binder, Aeneas und Augustus. Interpretationen zum 8. Buch der Aeneis, Beiträge zur klassischen Philologie 38]
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Kraus, Michael: [Rezension von: W. Wimmel, Zur Frage von Vergils dichterischer Technik in der Aeneismitte]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33067#0063

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hineinzuversetzen sucht (etwa 91 ff.; 154 ff., auch 113, unklar 49; richtig 53), jene von
modernen Interpreten aufgespürten Hinweise auf Augustus zu empfinden oder ver-
stehen? Vor allem aber: konnten die Leser damals, konnte Augustus selbst wirklich
Genuß und Freude an einer solchen Dichtung haben, die bei jedem Ereignis und jeder
Tat, jedem Wort und jedem Helden - auch denen, die als Partner gemeinsam auftreten
wie Euander und Aeneas - ja selbst bei jedem Gott eine Augustusassoziation wecken
wollte? Werden wir damit wirklich Vergils Absichten gerecht? Muß eine solche Deu-
tung nicht an den Persönlichkeitskult unserer Tage erinnern?
Damit soll die Berechtigung der vorgelegten Interpretationen in ihrer Grund-
tendenz keineswegs geleugnet werden - gibt doch Vergil selbst viel zu deutliche Hin-
weise auf den Gegenwartsbezug und werden doch auch manche Einzelheiten durch die
gleichzeitigen Dichter (Horaz und Properz, auch Ovid) und selbst durch Bauwerke
bestätigt, die B. häufiger zur Stütze heranzieht; vielmehr soll nur an die Grenzen
solcher Deutung erinnert werden, die B. selbst gelegentlich (88), aber wohl doch nicht
oft genug bewußt sind.
Fassen wir zusammen: In glücklicher Weise verknüpft der Verfasser verschiedene
Tendenzen der Vergilforschung unserer Tage - die Betonung des Zeitbezugs und der
politischen Komponente und die Entschlüsselung der indirekten Aussageform der Sym-
bolik — um die Aeneis als Epos verständlich zu machen, „das in mythischen Bildern
und historischer Vorausschau vom Entstehen des römischen Staates und seiner Voll-
endung unter Augustus spricht“ (91).
Wenn auch manche Einzelheit überspitzt und der immer wiederkehrende Bezug auf
Augustus übertrieben wirkt, wenn auch interessante Fragen ausgeklammert bleiben -
etwa, warum Vergil Aeneas in den Mittelpunkt seiner Dichtung stellt und nicht Ro-
mulus, dem doch Sulla, Cicero und Caesar gleichzukommen trachteten - so gibt die vor-
liegende Untersuchung doch eine Fülle von Anregungen und Einsichten, über die man
auch im Unterricht der Oberstufe mit Gewinn diskutieren wird. C. Joachim Classen

W. Wimmel: Zur Frage von Vergils dichterischer Technik in der Aeneismitte. Der Be-
ginn der Feindseligkeiten in Latium. Marburg (Elwertsche Universitätsbuchhandlung)
1969. 21 S. DM 3,50.
Die „langweilige Gewohnheit“ (Klingner), Vergils Aeneis nur auf Homer zu beziehen,
durchbrach zuerst R. Heinze („Virgils epische Technik“ 19021). Er entdeckte die dra-
matische Kunst Vergils. W. Wimmel sucht von Kallimachos her einen Zugang zu den
Problemen der Kunstform in der Aeneismitte. Sein Blick geht in die entgegengesetzte
Richtung, auf das Beschränkende und Dämpfende in der Kunst Vergils. Als wesent-
liche Stilmittel weist er (vor allem für die Bücher 7 und 8) die „reduzierende Medien-
technik“ und (für Buch 5 und 6) das „Verfahren der aufgewerteten Episoden" nach.
Vergil wollte, nach Wimmeis Deutung, die Bücher 5-8 als „alexandrinische Mitte im
homerischen Epos“ (20) verstanden wissen. Das mit den feinen Mitteln alexandrinischer
Kunst gestaltete Zentrum sollte auf die „umliegenden- großepischen Massen“ des
Odyssee- und Iliasteils ausstrahlen und sie zu etwas Neuem umwandeln, das in einer
den herkömmlichen Großformen des Epos abgeneigten Zeit wieder Anklang finden
konnte. - Daß es Wimmel bei seiner Untersuchung der Kunstmittel und des Einflusses
des Kallimachos gelingt, Form als Wesensgestalt und Vergil als schöpferischen Dichter
zu erweisen, zeigt ihn auf der Höhe, die das Vergilverständnis mit F. Klingners Inter-
pretationen erreicht hat. Ein neuer Weg zu Vergil? Das sorgfältig aufbereitete Material
legt es nahe, den Versuch mit einer (im Deutschunterricht) für Fragen der Kunstform
aufgeschlossenen Klasse zu wagen. Der Verf. sollte jedenfalls auf das angekündigte
maius opus nicht zu lange warten lassen. Michael Kraus

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