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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 16.1973

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Nr. 3
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Schönberger, Otto: Warum Latein und Griechisch auf der Kollegstufe?
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https://doi.org/10.11588/diglit.33067#0098

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Die Erfahrung zeigt, daß L und Gr an Humanistischen Gymnasien auch
wirklich gewählt werden: 43% aller Kollegiaten an Hum. Gymn. entschieden
sich für Grund- oder Leistungskurse in L und Gr.

2. Für welchen Beruf bieten diese Fächer Vorteile?
Es wäre falsch, die Fächer L und Gr nur als „Zubringerfächer“ für das Stu-
dium etwa der Altphilologie, der Theologie, der Geschichte, Archäologie, des
Französischen, Italienischen, Spanischen aufzufassen; für diese Fächer sind frei-
lich L- und Gr-Kenntnisse fast unentbehrlich. L und Gr bieten aber für eine
große Anzahl weiterer Fächer und Berufe vielfachen Nutzen.
Einmal ist hier der Vorteil der sprachlichen Schulung. Man lernt viele der
wichtigen Wortstämme kennen, aus denen die internationale wissenschaftliche
Terminologie gebildet wird, und hat so häufig mit dem Wort auch schon den
Zugang zur Sache (etwa beim Studium der Medizin oder Pharmazie). Zugleich
kann man einigermaßen modern überfremdeten Fachjargon verstehen und ge-
gebenenfalls auch durchschauen.
Weiterhin besitzt man einen bequemen Zugang zu den romanischen Sprachen.
Das geistige Training und die Anstrengung, die unleugbar mit dem Über-
setzen aus dem L und Gr (mit dem „Herausbringen“ und Interpretieren) ver-
bunden sind, bilden sicher eine wertvolle Vorübung für problemlösendes Den-
ken in vielen Situationen und Berufen.
L und Gr bilden also insofern auch eine gute Grundlage für manche nicht
eigentlich „altphilologische“ Berufe. Es war ja stets der Sinn des Humanisti-
schen Gymnasiums und des- L- und Gr-Unterrichtes, die Schüler möglichst um-
fassend auszubilden. Auch wenn ein vordergründiger „Nutzen“ nicht zu sehen
war, zeigte es sich doch am Studienerfolg solcher Schüler, daß ihre Vorbildung
offenbar recht wirkungsvoll war.

3. Der spezifische Nutzen des Latein- und Griechisch-Unterrichts
Was den L- und Gr-Unterricht für viele Berufe nützlich macht, ist noch
eine besondere Eigenart: Hier wird ein Text langsam und gründlich behandelt,
wird übersetzt (was die muttersprachlichen Fähigkeiten und die Fähigkeit zur
Einführung in fremdes Gedankengut erhöht), wird dann kritisch beleuchtet,
eingeordnet und interpretiert. Von dieser Übung im kritischen Interpretieren
soll eine persönlichkeitsbildende und emanzipatorische Wirkung ausgehen, die
der Gestaltung des individuellen Lebens und der Erhöhung der beruflichen
Leistungsfähigkeit dient.
Zugleich ist der L- und Gr-Unterricht von seinen Gegenständen her ein
musischer Unterricht: Es werden fast nur hochorganisierte Kunstwerke behan-
delt, die neben ihrer Thematik auch durch die künstlerische Form anziehen, in
der sie gestaltet sind. Hinzu tritt die Einfachheit und Übersichtlichkeit der Ge-
staltung, die bald auch ein Urteil über Personen und Vorgänge ermöglicht.

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