I. Petrus. Ein Corpus, zwei Körper,
viele Korporationen
1. Petrus - Papsttum - Patrozinien. Die zwei Körper
des Apostelfürsten
Heilige haben zwei Körper: einen vergänglichen irdischen und einen verklärten
himmlischen Leib.66 Während der himmlische dem christlichen Glauben nach
erst mit der Auferstehung aller Leiber im Jüngsten Gericht in Erscheinung treten
wird,67 steht der irdische allen ihm begegnenden Menschen bereits im Diesseits
vor Augen: zu Lebzeiten wie jeder andere Mensch auch, nach seinem Tod und
seiner Erhebung zur Ehre der Altäre als herausragende Gestalt mit Vorbild- und
Fürbittfunktion. Das tugendhafte Beispiel einer heiligen Person erinnert an ihre
vergangenen geschichtlichen Leistungen, und ihre Wunder zeugen von per-
sönlicher Wirkmächtigkeit als Patronin oder Patron am Thron Gottes. Der bit-
tende Mensch erhofft sich Linderung und Behebung seiner irdischen Leiden oder
aber bestärkende Hilfe beim Versuch eines eigenen christlichen diesseitigen
Lebens mit konkreter Hoffnung auf das von den Heiligen bereits erreichte Jen-
seits. Wunder spielen oft schon zu Lebzeiten der Heiligen eine Rolle, werden aber
fast immer erst nachträglich aufgezeichnet und ereignen sich in noch viel grö-
ßerer Zahl nach deren himmelwärts strebendem Hinscheiden aus der unvoll-
kommenen Welt: an ihrem Grab, bei ihrer Translatio oder nach ihrer ortsunab-
hängig möglichen Anrufung. Daher stellen die Mirakel außerhalb einer Vita oder
als deren Anhang ebenso wie ein Translationsbericht eine eigenständige litera-
rische Gattung dar, selbst wenn bereits in der Lebensbeschreibung wichtige
Wunder erwähnt werden.68
Selbst kritisch gestimmte hochmittelalterliche Theologen halten ungeachtet
ihrer Zweifel an der Authentizität bestimmter Reliquien am grundsätzlichen
Konzept der zwei Körper fest. Guibert von Nogent (um 1055-1125) etwa setzt
sich in seinem Traktat De sanctis et eorum pigneribus ausführlich mit dieser Frage
66 Vgl. dazu etwa Angenendt, Heilige und Reliquien, S. 102-122 (Kapitel VIII.: „Die Doppelexistenz:
im Himmel und auf Erden") sowie ders., Der Heilige, S. 11-52; Becker, Der Heilige und das Recht,
in: ebd., 53-70; Hattenhauer, Gottesfrieden und Heiligen Verehrung, S. 39 f. (mit Betonung des
heiligen Patrons als Rechtssubjekt). Im Deutschen lässt sich zwischen „Leib" und „Körper"
unterscheiden, worauf aber in der einschlägigen Literatur nicht immer geachtet wird. Dies zeigt
sich bereits bei der Übersetzung von Kantorowicz, The King's Two Bodies, S. 7, Anmerkung der
Redaktion zur Übersetzung.
67 Zur Unterscheidung von Auferstehung (des Leibes) und ewigem Leben (der Seele) s. Ott,
Eschatologie, pass S. auch Bynum, The Resurrection of the Body.
68 Vgl. Heinzelmann, Translationsberichte; Signori (Hg.), Heiliges Westfalen; Röckelein, Translatio
reliquiarum; Bölling, Heilige Bischöfe.
viele Korporationen
1. Petrus - Papsttum - Patrozinien. Die zwei Körper
des Apostelfürsten
Heilige haben zwei Körper: einen vergänglichen irdischen und einen verklärten
himmlischen Leib.66 Während der himmlische dem christlichen Glauben nach
erst mit der Auferstehung aller Leiber im Jüngsten Gericht in Erscheinung treten
wird,67 steht der irdische allen ihm begegnenden Menschen bereits im Diesseits
vor Augen: zu Lebzeiten wie jeder andere Mensch auch, nach seinem Tod und
seiner Erhebung zur Ehre der Altäre als herausragende Gestalt mit Vorbild- und
Fürbittfunktion. Das tugendhafte Beispiel einer heiligen Person erinnert an ihre
vergangenen geschichtlichen Leistungen, und ihre Wunder zeugen von per-
sönlicher Wirkmächtigkeit als Patronin oder Patron am Thron Gottes. Der bit-
tende Mensch erhofft sich Linderung und Behebung seiner irdischen Leiden oder
aber bestärkende Hilfe beim Versuch eines eigenen christlichen diesseitigen
Lebens mit konkreter Hoffnung auf das von den Heiligen bereits erreichte Jen-
seits. Wunder spielen oft schon zu Lebzeiten der Heiligen eine Rolle, werden aber
fast immer erst nachträglich aufgezeichnet und ereignen sich in noch viel grö-
ßerer Zahl nach deren himmelwärts strebendem Hinscheiden aus der unvoll-
kommenen Welt: an ihrem Grab, bei ihrer Translatio oder nach ihrer ortsunab-
hängig möglichen Anrufung. Daher stellen die Mirakel außerhalb einer Vita oder
als deren Anhang ebenso wie ein Translationsbericht eine eigenständige litera-
rische Gattung dar, selbst wenn bereits in der Lebensbeschreibung wichtige
Wunder erwähnt werden.68
Selbst kritisch gestimmte hochmittelalterliche Theologen halten ungeachtet
ihrer Zweifel an der Authentizität bestimmter Reliquien am grundsätzlichen
Konzept der zwei Körper fest. Guibert von Nogent (um 1055-1125) etwa setzt
sich in seinem Traktat De sanctis et eorum pigneribus ausführlich mit dieser Frage
66 Vgl. dazu etwa Angenendt, Heilige und Reliquien, S. 102-122 (Kapitel VIII.: „Die Doppelexistenz:
im Himmel und auf Erden") sowie ders., Der Heilige, S. 11-52; Becker, Der Heilige und das Recht,
in: ebd., 53-70; Hattenhauer, Gottesfrieden und Heiligen Verehrung, S. 39 f. (mit Betonung des
heiligen Patrons als Rechtssubjekt). Im Deutschen lässt sich zwischen „Leib" und „Körper"
unterscheiden, worauf aber in der einschlägigen Literatur nicht immer geachtet wird. Dies zeigt
sich bereits bei der Übersetzung von Kantorowicz, The King's Two Bodies, S. 7, Anmerkung der
Redaktion zur Übersetzung.
67 Zur Unterscheidung von Auferstehung (des Leibes) und ewigem Leben (der Seele) s. Ott,
Eschatologie, pass S. auch Bynum, The Resurrection of the Body.
68 Vgl. Heinzelmann, Translationsberichte; Signori (Hg.), Heiliges Westfalen; Röckelein, Translatio
reliquiarum; Bölling, Heilige Bischöfe.