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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0160

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1. Bremen und Hamburg - zwei Städte, ein Erzbistum

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durchaus orientierten Latein Rimberts die Wendung vicem eins.841 Unproble-
matisch ist die hier gewählte Wiedergabe des Interpolaments aber dennoch
nicht: Das Possessivpronomen sucim verlangt nach einem Subjekt, das rein
grammatikalisch in Analogie zu den übrigen Reflexiva sibi suisque weder Papst
noch Petrus lauten müsste, sondern Ansgar. Demnach wäre ein unangekün-
digter Subjektwechsel eingetreten, und Ansgar hätte durch die unmittelbare
körperliche Berührung des Heiligenleibes und seiner Verehrungsstätte sich
selbst zum Stellvertreter Petri gemacht. Ansgar hätte damit in der Rückschau des
11. oder frühen 12. Jahrhunderts einen Anspruch formuliert, der den des Min-
dener Bischofs Egilbert, der sich im ausgehenden 11. Jahrhundert mit Blick auf
sein bischöfliches Patrozinium als Stellvertreter Petri bezeichnete,842 sogar noch
überstiegen hätte. So reizvoll eine solche Lesart auch erscheinen mag - sie wäre
wohl selbst einem noch so ungeschickten Interpolator nicht aus der Feder ge-
flossen, ohne vorher Ansgar selbst noch einmal klar und deutlich zu erwähnen.
Es bleibt also nichts anderes übrig, als das gleichbleibende Subjekt des gesamten
Satzgefüges mit seinen analogen Prädikaten mit zudem inhaltlicher eindeutiger
adverbialer Erweiterung und Prädikatsnomen (palli datione ... roboravit und le-
gatum ... delegavit) auszumachen: ipse, das heißt Papst Gregor.843
Vor diesem Hintergrund erhält selbst die für das Petrus-Patronat wenig er-
giebige Vita des heiligen Rimbert von anonymer Hand eine neue Bedeutung: Mit
den Viten Willehads von Ansgar und Ansgars von Rimbert vervollständigt sie
das Bild von einer dreiköpfigen nordischen Metropole, die auf Augenhöhe mit
dem römischen „Patriarchen des Abendlandes" eine ebenso petrinisch gefestigte
wie missionarisch lebendige Kirchenprovinz zu verwalten hatte. Von Bedeutung
sollte die zitierte Passage später noch für die Historiographie werden: Im Codex
Vicelinus ergänzte sie das Chronicon breve Bremense, im überlieferungsgeschicht-
lich sonst unabhängigen Werk Adams von Bremen wurde sie in gesonderter
Form rezipiert - Werke, die eine eingehende Untersuchung verdienen.

c) Rezipierende Historiographie. Das Chronicon breve und Adam von
Bremen
Das so genannte Chronicon breve Bremense844 lässt, für sich allein betrachtet, wenig
Interesse am heiligen Petrus oder der Heiligkeit Bremer Bischöfe erkennen.
Angesichts der formalen, weitgehend annalistisch additiven Gestalt ist dies auch
nicht weiter verwunderlich. Umso größere Aufmerksamkeit gebührt der Tatsa-
che, dass eben dieses nur sehr kurze chronikalische Werk von Vicelin Anfang des
12. Jahrhunderts mit den hagiographischen Viten der heiligen Bischöfe Willehad,

841 So bereits Bölling, Die zwei Körper des Apostelfürsten, S. 171 mit Anm. 96.
842 Vgl oben Kapitel II. 1b, bei Anm. 609.
843 Vgl. den vorangehenden Hauptsatz (wie oben Anm. 832): Quod etiam ipse tarn decreti sui aucto-
ritate quam etiam pallii datione more praedecessorum suorum roboravit atque ipsum in praesentia con-
stitutum legatum in omnibus circumquaquegentibus [...] delegavit.
844 Chronicon breve Bremense, hg. von Lappenberg (MGH. Scritpores 7), S. 389-392.
 
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