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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0343

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342

Zusammenfassung

Spannungsverhältnis von Regnum und Sacerdotium erkennen - in Form un-
terschiedlicher Einflüsse und Wechselwirkungen. Dabei spielt nicht nur eine
Rolle, ob ein Petrus-Patrozinium vorlag, sondern ebenso, wie es jeweils sinn-
stiftend betrachtet wurde. Hier sind nun anstelle der bis hierher eingesetzten
modernen, neuerlich wieder zunehmend geforderten hilfs- und grundwissen-
schaftlichen Disziplinen die genuin mittelalterlichen Felder der Historiographie,
Hagiographie und Liturgie maßgeblich. Dabei gebührt jedoch, der zeitgenössi-
schen Gewichtung dieser drei Quellentextgruppen folgend wie auch der all-
mählichen Entwicklung der einzelnen Gattungen entsprechend, der erste Platz
der Liturgie - freilich nicht isoliert, sondern in ihrer intertextuellen Verwobenheit
mit Hagiographie und Historiographie.
Bremen (III. 1)
In Bremen lassen sich diese drei Bereiche als missionarische Liturgie, sukzesso-
rische Hagiographie und rezipierende Liturgie kennzeichnen. Liturgisch stechen
vor allem die Evangeliare und Evangelistare hervor, ältere auf Latein, jüngere
auch volkssprachlich. Besonders gefeiert wurden Peter und Paul am 29. Juni
(Perikope Matthäus 16,13-19) samt Vortag (Johannes 21,15-19) und Oktavtag, in
den ältesten Evangelistaren auch Petri Kettenfeier (1. August), Cathedra Petri
und Conversio Pauli, ferner Johannes apostolus ante portam Latinam - zugleich im
Gedenken an das Quo-vadis-Erlebnis Petri. Vier Evangelienbücher sind von be-
sonderem Wert: ein später wie eine Reliquie verehrtes, auf den heiligen Ansgar
zurückgeführtes Evangeliar (John Rylands Library, Manchester), ein später zur
Lüneburger Goldenen Tafel gehöriges Exemplar (Hannover, Kester-Museum,
ehemals Landesmuseum), schließlich eine heute in der Münchener und eine
weitere in der Bamberger Bayerischen Staatsbibliothek verwahrte Zimelie
(vielleicht aus einem Bremer Skriptorium). Zu erwähnen ist ferner das Evange-
listar Heinrichs IV. für Erzbischof Adalbert. Darüber hinaus sind zwei Sakra-
mentare, Vor- und Übergangsformen zum Messbuch, zu nennen, eines aus Rom
(Biblioteca Vallicelliana, also aus dem Umkreis des Oratoriums) mit Hamburger
Marienmesse und besonderem Ordo missae (für die spätere Privatmesse be-
deutsam) und eines aus Udine (Kapitelsbibliothek), mit Einflüssen aus Nord-
italien (wie Adalberts Dombau) und Lothringen (Gorze?). Maßgeblich ist hier ein
gewisser Guido - wenn auch nicht der berühmte von Arezzo. Markieren diese
Bücher die jeweiligen christozentrischen Höhepunkte von Wortgottesdienst und
Eucharistiefeier, so sind auch wertvolle Liturgica für das Stundengebet über-
liefert. Der bereits frühmittelalterliche Dagulfpsalter, angeblich wiederum ein
Geschenk Heinrichs IV, wurde wie das vermeintliche Ansgar-Sakramentar re-
liquiengleich verehrt. Weitere Neumen auf Notenlinien zeugen darüber hinaus
von einem vollständigen Willehad-Offizium und in Teilüberlieferung auch von
Antiphonen zu Ehren Ansgars. Die Evangeliare konnten zu Weihnachten vom
Kaiser selbst als Diakon genutzt werden, gekleidet in den angeblichen Königs-
mantel Karls des Großen. Es handelt sich somit um Relikte eines Regnum im
buchstäblichen Einklang mit dem Sacerdotium. Die Proto-Missalia zeigen hin-
 
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