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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0204

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2. Minden - Stadt und Bistum

203

man meinen könnte, zu Petrus. Die Zeit des Investiturstreites führte zu den
bereits erwähnten Patrozinienverschiebungen des Domes, bei denen plötzlich
die Dreifaltigkeit und das Kreuz Christi ins Spiel gebracht werden.1082 Leider sind
keine zeitgenössischen Quellen dazu überliefert. Erst im 14. und 15. Jahrhundert
sollte man ein umfassendes historiographisches Bild dieser Zeit zeichnen und
dabei gerade auch die eingangs erwähnten liturgischen Quellen würdigen und
eigene, mitunter geradezu hagiographisch anmutende Wundergeschichten
beisteuem.
c) Verspätete Historiographie. Die Chronistik des 14. und
15. Jahrhunderts
Die aus Minden erhaltene Chronistik setzt erst im Spätmittelalter ein. Aus dem
Domnekrolog heraus fertigte der Dominikaner Hermann von Lerbeck (ca. 1345 -
ca. 1410) seinen Catalogus episcoporum Mindensium,1083 den der Mindener Dom-
herr Heinrich Tribbe (t 1464) dann in Form einer eigenen Bischofschronik re-
daktionell überarbeitete und fortsetzte.1084 Darüber hinaus fertigte Tribbe um
1460 noch eine Beschreibung von Stadt und Stift Minden an.1085 Beide Chronisten
nehmen sowohl auf zahlreiche der vorgestellten liturgischen Bücher und In-
schriften Bezug als auch auf eine Reihe von Heiligen, unter denen sich Petrus und
Gorgonius finden. Der Quellenwert dieser Darstellungen ist bereits aus rein
liturgie- und hagiographiegeschichtlicher Perspektive nicht hoch genug zu
veranschlagen: Das eingangs vorgestellte Evangeliar Milos mit der inschriftli-
chen Widmung an den heiligen Gorgonius etwa ist nur hier überliefert, und in
keiner anderen mittelalterlichen Quelle wird eine so genaue Darstellung der
Sigebert-Codices gegeben wie bei diesen spätmittelalterlichen Geschichts-
schreibern, besonders beim jüngeren Heinrich Tribbe.1086 Auch übernehmen die
beiden Historiographen die patrozinienkundlich bedeutsamen Einträge aus
dem Domnekrolog und bieten an späterer Stelle die aus derselben Quelle
stammende ausführliche Liste von Reliquien und verehrten Heiligen. Zu
Gorgonius steuern sie sogar neues Material bei, wenngleich dieses eher anek-
dotische denn hagiographische Züge tragen mag.
Doch in all diesen Hinweisen stehen die Heiligen nicht mehr im Mittelpunkt,
wie es die älteren liturgischen und hagiographischen Texte gattungsbedingt und
kontextbezogen vorsahen.1087 Vielmehr flechten die beiden Autoren ihre hagio-

1082 VgL oben Kapitel Il.lb.
1083 Hermann von Lerbeck, Catalogus episcoporum Mindensium (hg. von Löffler).
1084 Heinrich Tribbe, Die jüngere Bischofschronik (hg. von Löffler).
1085 Heinrich Tribbe, Beschreibung von Stadt und Stift Minden (hg. von Löffler).
1086 VgL dazu von Euw, Die St. Galier Buchkunst, Bd. 1, S. 250 f.
1087 Eine gewisse Ausnahme stellt allein die - allerdings auch nur beiläufig erwähnte - spätmittel-
alterliche Läuteordnung dar, die Heinrich Tribbe, Beschreibung von Stadt und Stift Minden (hg.
von Löffler), S. 75 näher ausführt. Demzufolge wurden die beiden größten Glocken an sechs
Festen geläutet: neben Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Aufnahme Mariens in den Himmel
ausdrücklich an Peter und Paul und dem Tag des heiligen Gorgonius. Zur Messe, zum Vortag
 
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