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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0066

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5. Passionale - Predigten - Pilgerberichte. Petrinische Legendenbildung und Literatur

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Versöhnungsangebot neben Gott und sich selbst nur diesen Apostelfürsten
nennt,270 während er sich bei seiner erneuten Exkommunikation des Kaisers im
Jahre 1080 an Petrus und Paulus271 wendet. Hatte Heinrich IV. 1075 an den be-
kehrten Paulus appelliert, richtete sich der Papst nach dem erneuten - Lampert
zufolge von kaiserlicher Seite stets beibehaltenen - Bruch nun mit besonderer
Verve an diesen seinen besonderen, stets gemeinsam mit Petrus verehrten
päpstlichen Patron.
Die Petrus- und Paulus-Verehrung verlieh indes nicht nur den Terminset-
zungen der Mächtigen eine gewisse Brisanz. Gerade auch der reguläre Alltag
einfacherer Menschen war, mitunter offenbar schon im Frühmittelalter, von
Erzählungen um den heiligen Petrus geprägt. Liturgie und Volksfrömmigkeit
ergänzten und befruchteten einander durch die traditionelle, keineswegs nur
von Amts wegen unternommene Romwallfahrt ad limina apostolorum.272 Passio-
nale, Predigten und Pilgerberichte273 geben noch heute davon Auskunft.

5. Passionale - Predigten - Pilgerberichte. Petrinische
Legendenbildung und Literatur
In dem Moment, in dem die Heiligenlegende nicht nur eine der nächtlichen
Lesungen der Liturgie darstellte, sondern orts- und zeitunabhängig gelesen
wurde, bildete sie einen Teil lebensweltlich verorteter und verantworteter Lite-
ratur. Anders als überkommene Vorstellungen eines Gegensatzes zwischen li-
terarischer Fiktionalität und historischer Faktizität suggerieren mögen, verlief
die Entwicklung keineswegs, um ein altertumskundliches Diktum aufzugreifen,
„vom Mythos zum Logos"274. Es vollzog sich vielmehr ein allmählicher Wandel
einerseits vom literarischen Logos zur liturgischen Legende, andererseits von
der amtlichen Liturgie zur persönlichen Lektüre - und damit von gemein-
schaftlich-korporativer zu individuell-persönlicher Aneignung des heiligen Pe-
trus.
Analog zum Interesse an unbekannten Einzelheiten im Leben Jesu scheint
auch das Bedürfnis nach einer genaueren Kenntnis des Petrus zugenommen zu
haben. Griff man bei der Ausschmückung des Lebens Jesu gern auf apokryphe
Schriften wie das Protoevangelium des Jakobus zurück, das etwa von Ochs und
Esel an der Krippe in Bethlehem und von den Eltern Mariens, Joachim und Anna,
zu berichten wusste, so verwandte man für Petrus-Darstellungen die bereits
erwähnten Petrus-Akten. Diese lieferten die genannten Hinweise auf Kreuz und

270 Vgl. Gregorii VII. registrum, lib. IV, ep. 12, hg. von Caspar, Bd. 1, S. 312; Hack, Empfangszere-
moniell, S. 504, Anm. 50.
271 Vgl. Hack, Empfangszeremoniell, ebd.; Cowdrey, Pope Gregory VII, S. 612f. (Quellen und Lit).
272 Vgl. Bölling, Zwischen Liturgie und Volksfrömmigkeit, S. 44-50.
273 Zur christologischen statt hier relevanten rein petrinischen Dimension vgl. oben den Ausblick
am Ende von Anm. 235.
274 Nestle, Vom Mythos zum Logos.
 
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