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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0081

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80

I. Petrus. Ein Corpus, zwei Körper, viele Korporationen

des heiligen Petrus359 - ein Titel, der nur dem Papst zukam. Die Berufung auf den
Apostelfürsten stellt gerade in den Wirren der Auseinandersetzung zwischen
Regnum und Sacerdotium nichts Ungewöhnliches dar. Gerade in Urkunden
begegnen entsprechende Passagen. Bischöfliche Kanzleien beziehen sich aber
allenfalls auf die Fürsprache des Apostelfürsten, nicht auf dessen eigene Stell-
vertreterschaft, und nennen, wenn überhaupt, in dieser Funktion sogar explizit
den Papst.360 Viel zu wenig Beachtung fand bisher der unmittelbare Bezug zum
amtlichen Patron. So ist etwa an einer Urkunde des Bischofs Embricho von
Augsburg (1064-1077) neben dessen eigenem Siegel auch das seines heiligen
Amtsvorgängers Ulrich angebracht worden.361 Vergleichbares lässt sich auch für
den sächsischen Raum vermuten, zumal beispielsweise Bischof Meinwerk von
Paderborn (um 975-1036) - ebenso wie später ausschließlich das Domkapitel -
die Patrone seiner Kathedralekirche, Maria oder Liborius, im Siegel führte.362
Petrus blieb aber nicht allein. Ihm gesellten sich ebenfalls aus Rom stam-
mende Nebenpatrone hinzu: in Minden Gorgonius, in Osnabrück Crispin und
Crispinian, in Bremen Kosmas und Damian. In Krisensituationen scheint man
das Patrozinium zwischenzeitlich sogar ändern oder zumindest umakzentuie-
ren zu wollen.363 Es sollte aber nicht bei den bestehenden Bezügen bleiben.
Vielmehr wandelten sich die Personenkreise und Aufgabenbereiche des Petrus
mit den Forderungen, die an ihn gestellt wurden.

9. Corpus - Corporatio - Congregatio. Verkörpernde
Personen und korporative Gruppen
Neben der bisher im Mittelpunkt stehenden personalen Konstellation zweier
Körper verdienen auch korporativ verfasste Gruppen eine eingehendere Be-
trachtung. Wird doch bei Korporationen und Körperschaften des öffentlichen
Rechts Legitimität und Kontinuität gerade über den suggestiven Begriff des

359 Erhard (Hg.), Codex Diplomaticus Historiae Westfaliae., Bd. 1, Münster 1847,, S. 115 f. Nr. 148,
hier S. 116. S. dazu ausführlich Bölling, Distinktion durch Romrezption, S. 66 f. und unten Anm.
609 sowie das gesamte Kapitel Il.lb.
360 Vgl. Peters, Studien zu den Beziehungen, S. 223 f. Groten, Karlsmythos und Petrustradition,
S. 398 mit Anm. 95; spricht allen Bischöfen gleichermaßen eine Petrus-Nachfolge zu, ebenso
Seibert, Amt, Autorität, Diözesanausbau, S. 86 (vgl. auch voraufgehende Anm. 359). Spätestens
seit Damasus (382), ausformuliert dann unter Leo I., wird jedoch seitens des Papsttums für die
Frage der Schlüsselübergabe die eigene Exklusivität beansprucht. S. dazu Groten, Die ge-
sichtslose Macht, S. 211 mit Anm. 59 (mit Verweis auf Leo I.) und Ubl, Der Mehrwert der
päpstlichen Schlüsselgewalt, S. 191-198 (mit Quellenbelegen von Damasus, Siricius, Zosismus L,
Bonifaz I. und Leo L). S. auch oben Kapitel 1.6.
361 Vgl. etwa Härtel, Notarielle und kirchliche Urkunden, S. 118.
362 S. hierzu nach wie vor Honselmann, Von der Carta zur Siegelurkunde, S. 138 f. Das so genannte
„Meinwerksiegel" stellt hingegen angesichts seiner äußeren Gestalt entsprechend Bischofssie-
geln des 12. Jahrhunderts offenbar eine Fälschung dar (ebd., S. 139).
363 Vgl. dazu ausführlich unten Kapitel IV.
 
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