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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0093

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92

I. Petrus. Ein Corpus, zwei Körper, viele Korporationen

Die Bezugnahmen auf den heiligen Petrus lassen sich jedoch nicht nur auf
rein religiöse Texte beschränken - seien diese nun liturgischer oder literarischer,
allgemein verbindlicher oder persönlich bevorzugter Art gewesen und ge-
meinschaftlich gehört oder privat gelesen worden.
Für die in den genannten Korporationen im späteren Mittelalter aufblühende
soziale und politische Geschichte hält ein weiterer literarischer Formen- und
Gattungskomplex schon im 11. und frühen 12. Jahrhundert Bewertungsmaß-
stäbe des Petrus und seiner Verehrung bereit: die zeitgenössischen Streitschriften
und historiographsiche Werke im Spannungsfeld von Regnum und Sacerdoti-
um.
11. Apostel - Exempel - Sachsenpatron. Petrus in
Streitschriften und Historiographie
Petrus bildet eine zentrale, bisher aber von der Forschung kaum beachtete Ge-
stalt in den Schriftzeugnissen des Investiturstreits, vor allem in einschlägigen
Streitschriften, ferner auch in einzelnen historiographischen Texten.
In den Libelli de Ute scheint das klassische päpstlich-petrinische Modell der
zwei Körper zwischenzeitlich in eine gewisse Krise geraten zu sein. Befürworter
wie Gegner Gregors VII. suchten nach neuen Wegen der Legitimierung. Dies gilt
insbesondere für sächsische Autoren. So bemüht sich der spätere Osnabrücker
Bischof Wido nicht nur um die bereits erörterte Erneuerung der Zwei-Gewalten-
Lehre und der Vorstellung zweier gleichberechtigter Häupter von Kaiser und
Papst, sondern sucht durch einen Rekurs auf den historischen Petrus den aktu-
ellen Papst zu diskreditieren: Von Petrus bis Silvester sei die Kirche verfolgt
worden und habe deshalb keine Möglichkeit zum Streit gehabt. Den Garanten
für die Verbreitung, äußere Verteidigung und innere Ordnung der Kirche sieht er
hingegen im spätantiken Kaiser.431 Die zeitgenössische Kirche betrachtet er als
das eine Corpus, das von zwei Häuptern, dem des Kaisers und dem des Papstes,
regiert werde.432
Ganz ähnlich äußert sich auch Petrus Crassus in seiner Verteidigung Hein-
richs IV. Anstatt historisch argumentiert er jedoch exegetisch. Unter Verwen-
dung verschiedener kaisertreu erscheinender Bibelzitate, insbesondere aus dem
ersten Petrus-Brief, sucht er eine Diskrepanz zwischen Gregor und Petrus zu
konstruieren.433 Er geht sogar so weit zu behaupten, der Papst habe durch Feuer
und Schwert das eigentlich Petrus selbst zustehende Kirchenvermögen wider-
rechtlich angetastet.434 Im Zweifelsfall zählen für ihn die Worte der Schrift mehr
als die Tradition der Kirche.

431 MGHSSLdL 1, S.4621.
432 Ebd. S. 470.
433 Ebd. S. 449.
434 Ebd. S. 441.
 
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