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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0027

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26

Einleitung

Historiographie, Hagiographie und Liturgie der
sächsischen Petrus-Patrozinien
Der Göttinger Historiker Leonid Arbusow forderte bereits 1947 mit explizitem
Bezug auf Adam von Bremen, den wohl bedeutendsten Historiogaphen eines
sächischen Petrus-Patroziniums der Salierzeit:
„Als eine Aufgabe allgemeiner Art aber ergibt sich die Herantragung
der hier m.W. erstmalig erhobenen Frage nach dem gedanklichen,
inhaltlichen oder auch bloß formalen oder lexikalischen Einfluß der
Liturgie auch an die Geschichtsdarstellungen noch anderer deutscher
Chronisten und selbstverständlich ebenso auch der Chronisten der
anderen Länder und Völker. Das Ergebnis könnte ein nicht unwe-
sentliches Gebiet des allgemeinen Geisteslebens im Mittelalter stel-
lenweise in neuer Beleuchtung erscheinen lassen."57
Historiographie, Hagiographie und Liturgie sind - in eben dieser allgemein-
und kirchenhistorischen Gewichtung - zu untersuchen. Entstehungsgeschicht-
lich gingen meist die liturgischen Quellen den hagiographischen und historio-
graphischen Texten voraus. Daher ist im Folgenden jeweils erst die Liturgie,
dann die Hagiographie und schließlich die Historiographie zu betrachten, also in
Umkehrung der Reihenfolge des Untertitels: Zur an erster Stelle stehenden
Historiographie wird man am sinnvollsten auf diesem Wege vordringen.
Im Bereich der historischen Liturgiewissenschaft sind dabei auch einige
Missverständnisse auszuräumen. Einem Diktum Hermann Heimpels zufolge
schützt Literaturkenntnis bekanntlich vor Entdeckungen - und somit auch vor
hinter den Wissensstand zurückfallenden ,Re-Importen'. Vielfach werden bei-
spielsweise französischsprachige Veröffentlichungen in neueren deutschen
Darstellungen als zukunftsweisende kulturalistische Konzepte rezipiert, ob-
gleich diesen wiederum Übersetzungen aus veralteten deutschen Auflagen zu-
grunde liegen.
Zu Recht rekurriert die internationale Forschung immer wieder auf den
einflussreichen Liturgiker Pierre Gy, der Wechselbeziehungen zwischen Lucca
und der päpstlichen Kapelle untersucht hat. Allerdings wird ergänzend oft le-
diglich die französische Übersetzung der zweiten, 1949 gedruckten, noch heute
auf dem antiquarischen Büchermarkt am häufigsten anzutreffenden Auflage
von Missarum Sollemnia des gelehrten Jesuiten Josef Andreas Jungmann her-
angezogen.58 Jungmann selbst hatte aber bereits in der fünften, vor kurzem

57 Arbusow, Liturgie und Geschichtsschreibung („Die Arbeit wurde am 2. Juli 1947 dem Göttinger
Mediaevisten-Abend und am 13. September 1947 einem Freundeskreise baltischer Historiker
vorgelegt."), S. 88.
58 Vgl. Gy, Interactions entre liturgies; ferner ders., La papaute et le droit liturgique (mit einigen
Thesen zur päpstlichen Kapelle, s. dazu unten Kapitel 1.7) und ders., Les reformes liturgiques.
Auf Französisch erschien die 2. Auflage von Jungmanns Werk (Wien 1949) zwischen 1950 und
 
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