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Zusammenfassung
einandersetzungen zwischen Regnum und Sacerdotium. Erst Bischof Sigward
(1120-1140) sollte mit seinem chronistisch detailliert dargestellten politischen
Programm - bildlich in Idensen sichtbar - zum Ausgleich zwischen Regnum und
Sacerdotium beitragen.
Osnabrück (III.3)
Osnabrück hatte im Unterschied zu Bremen und Minden zwar keine herausra-
genden liturgischen Bücher oder altehrwürdige Reliquien vorzuweisen. Dafür
haben sich hier die ältesten Nekrologe und - für Heilige entscheidend - Kalen-
dare sowie sakrale Kunst erhalten. Die spät erworbenen Reliquien von Crispin
und Crispinian konnten nur durch Urkundenfälschungen zu Gründergestalten
stilisiert werden. In Ermangelung eigener hagiographischer Schriften ließen sich
lediglich die bereits vorhandenen historisierend auf die Osnabrücker Tradition
anwenden - in Konkurrenz zu Eigentraditionen anderer Kirchen. An die Stelle
eigener Hagiographie rückte ein historiographischer Text: die Vita Bischof
Bennos II.
In den Kalendaren des 12. und Fragmenten des 9. und 10. Jahrhunderts
wurde neben Petrus am 29. und - weniger festlich - Paulus am 30. Juni aus-
drücklich die Cathedra Petri von Antiochien (22. Februar), nicht aber die von
Rom (18. Januar) gefeiert. Ob der auch in Bremen und Minden begangene Termin
Sanctus Johannes ante portam Latinam am 6. Mai mit seinem Bezug zum Quo-vadis-
Erlebnis des Petrus wie in Minden mit einem dominternen Patrozinium ver-
bunden war, lässt sich nicht mehr feststellen. Rekonstruierbar ist hingegen eine
aus Gängen bestehende, frühestens Mitte des 9. Jahrhunderts angelegte Krypta,
die offenbar zur Aufnahme der Reliquien von Crispin und Crispinian bestimmt
war, infolge eines Dombrands jedoch ab dem 12. Jahrhundert aufgegeben
wurde. An ihre Stelle trat bei Reliquienprozessionen ein später eigens dafür
umgebauter Kreuzgang. Bedeutende Schreine sind auch im Kirchenschatz ver-
wahrt, insbesondere von Regina, Hermagoras und Prokopios. Die heilige Regina
zeichnete lange vor ihrem prächtigen Schrein ihr prominenter Festtag aus: Am
Reginentag (20. Juni) wurde den ältesten Nekrologen zufolge schon im
12. Jahrhundert zugleich das Eintreffen der transferierten Reliquien von Crispin
und Crispinian gefeiert. Der vermeintliche Entsender, Karl der Große, erfuhr
ebenfalls liturgische Verehrung. Im Kirchenschatz werden bis heute sein an-
gebliches, fatimidisches Schachspiel und seine vermeintliche Krone verwahrt.
Unter den Nebenpatronen ragt jedoch einer besonders hervor: Clemens von
Rom, persönlicher Patron Bennos II. Zu Crispin und Crispinian liegen hagio-
graphische Quellen vor, zur Verehrung des Clemens nicht zuletzt ein historio-
graphischer, die hagiographischen Zeugnisse ergänzender Text: Bennos Vita.
Hagiographisch erscheint Osnabrück geradezu als Umkehrung Mindens.
Zwar war an beiden Bischofssitzen die jeweilige Passio von Nebenpatronen
entscheidend, doch gibt es aus Osnabrück keine ortsspezifische Überlieferung.
In Minden wie in Osnabrück fällt ein deutlicher Rombezug der sekundären
Heiligen ins Auge, aber Crispin und Crispinian waren im Unterschied zu
Zusammenfassung
einandersetzungen zwischen Regnum und Sacerdotium. Erst Bischof Sigward
(1120-1140) sollte mit seinem chronistisch detailliert dargestellten politischen
Programm - bildlich in Idensen sichtbar - zum Ausgleich zwischen Regnum und
Sacerdotium beitragen.
Osnabrück (III.3)
Osnabrück hatte im Unterschied zu Bremen und Minden zwar keine herausra-
genden liturgischen Bücher oder altehrwürdige Reliquien vorzuweisen. Dafür
haben sich hier die ältesten Nekrologe und - für Heilige entscheidend - Kalen-
dare sowie sakrale Kunst erhalten. Die spät erworbenen Reliquien von Crispin
und Crispinian konnten nur durch Urkundenfälschungen zu Gründergestalten
stilisiert werden. In Ermangelung eigener hagiographischer Schriften ließen sich
lediglich die bereits vorhandenen historisierend auf die Osnabrücker Tradition
anwenden - in Konkurrenz zu Eigentraditionen anderer Kirchen. An die Stelle
eigener Hagiographie rückte ein historiographischer Text: die Vita Bischof
Bennos II.
In den Kalendaren des 12. und Fragmenten des 9. und 10. Jahrhunderts
wurde neben Petrus am 29. und - weniger festlich - Paulus am 30. Juni aus-
drücklich die Cathedra Petri von Antiochien (22. Februar), nicht aber die von
Rom (18. Januar) gefeiert. Ob der auch in Bremen und Minden begangene Termin
Sanctus Johannes ante portam Latinam am 6. Mai mit seinem Bezug zum Quo-vadis-
Erlebnis des Petrus wie in Minden mit einem dominternen Patrozinium ver-
bunden war, lässt sich nicht mehr feststellen. Rekonstruierbar ist hingegen eine
aus Gängen bestehende, frühestens Mitte des 9. Jahrhunderts angelegte Krypta,
die offenbar zur Aufnahme der Reliquien von Crispin und Crispinian bestimmt
war, infolge eines Dombrands jedoch ab dem 12. Jahrhundert aufgegeben
wurde. An ihre Stelle trat bei Reliquienprozessionen ein später eigens dafür
umgebauter Kreuzgang. Bedeutende Schreine sind auch im Kirchenschatz ver-
wahrt, insbesondere von Regina, Hermagoras und Prokopios. Die heilige Regina
zeichnete lange vor ihrem prächtigen Schrein ihr prominenter Festtag aus: Am
Reginentag (20. Juni) wurde den ältesten Nekrologen zufolge schon im
12. Jahrhundert zugleich das Eintreffen der transferierten Reliquien von Crispin
und Crispinian gefeiert. Der vermeintliche Entsender, Karl der Große, erfuhr
ebenfalls liturgische Verehrung. Im Kirchenschatz werden bis heute sein an-
gebliches, fatimidisches Schachspiel und seine vermeintliche Krone verwahrt.
Unter den Nebenpatronen ragt jedoch einer besonders hervor: Clemens von
Rom, persönlicher Patron Bennos II. Zu Crispin und Crispinian liegen hagio-
graphische Quellen vor, zur Verehrung des Clemens nicht zuletzt ein historio-
graphischer, die hagiographischen Zeugnisse ergänzender Text: Bennos Vita.
Hagiographisch erscheint Osnabrück geradezu als Umkehrung Mindens.
Zwar war an beiden Bischofssitzen die jeweilige Passio von Nebenpatronen
entscheidend, doch gibt es aus Osnabrück keine ortsspezifische Überlieferung.
In Minden wie in Osnabrück fällt ein deutlicher Rombezug der sekundären
Heiligen ins Auge, aber Crispin und Crispinian waren im Unterschied zu