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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0245

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244

III. Historiographie, Hagiographie und Liturgie der sächsischen Petrus-Kathedralen

Bischof einer Domkirche mit Petrus- und Paulus-Patrozinium wird Walram dies
vor Augen gehabt haben, zumal der Ketten Petri jedes Jahres am 1. August li-
turgisch gedacht wurde. Warum aber hat er in Noblat ausgerechnet die Kreuz-
fahrergeschichten herausgegriffen und für die eigene Kirche kopiert? Offenbar
war der Aufruf Papst Urbans II.1321 auch bei ihm nicht ungehört verhallt. Es gab
aber wohl noch einen anderen Grund: Bischof Walram interessierte sich für
Fragen der theologischen Auseinandersetzungen mit der Ostkirche. Für einen
positiv gewürdigten östlichen Einfluss spricht die erwähnte liturgische Vereh-
rung des heiligen Pantaleon in Naumburg. Die Kreuzfahrergeschichten weisen
hingegen in die entgegengesetzte Richtung: Hier streitet das Rittertum der
westlichen Kirche - mit, doch vielfach auch ohne und sogar gegen Byzanz.1322
Zugleich bildete Leonhard von Noblat eine zentrale Station auf dem Pilgerweg
nach Santiago de Compostela, dem vermeintlichen finis terrae im äußersten
Westen.1323 Daher standen mit diesem Heiligen Ost und West gleichermaßen vor
Augen. In politischer Hinwicht war folglich nicht nur die eigene Positionierung
gegenüber dem Kaisertum des Ostens, sondern auch gegenüber dem des Wes-
tens in seinem Verhältnis zum Papst gefragt - ein Problem, das vor allem Wal-
rams eigene Texte deutlich vor Augen führten.
c) Unfreiwillige Historiographie. Bischof Walram und der Investiturstreit
Wie für die genannten zwei hagiographischen Texte so ist Bischof Walram auch
für zwei historiographisch relevante, anonym überlieferte Schriften irrtümlich in
Beschlag genommen worden: für die Traktate De unitate ecclesiae conservanda'324
und De Investitura episcoporum,1325 die beide „Geschichte als Argument" ver-

1321 S. dazu Strack, The Sermon of Urban II.
1322 Vgl. dazu die unterschiedlichen Einschätzungen in byzantinischen, syrisch-christlichen und
arabisch-muslimischen Quellen: Bayer, Das sogenannte Schisma; ders., Spaltung der Christen-
heit; Bruns, Die Kreuzzüge in syrisch-christlichen Quellen; Havemann, Heiliger Kampf.
1323 Diesen Hinweis verdanke ich Frau Prof. Dr. Hedwig Röckelein.
1324 MGH SS LdL 2, S. 173-284 (in der Überschrift S. 184 dagegen ohne das Wort Liber); vgl. FStG 12b,
S. 272-579. S. dazu bereits Fröhlich, Bischof Walram von Naumburg, mit Quellen und älterer Lit;
Wiessner, Diözese Naumburg, S. 753-755, ferner: Bayer, Spaltung der Christenheit, S. 184 mit
Anm. 37. Die in der modernen Forschungsliteratur gelegentlich begegnende Formulierung
[Liber] De Imitate ecclesiae conservandae (mit Attribut im Genitiv) ist nicht historisch belegt, son-
dern beruht auf der Angleichung des Attributs an das vorausgehende Substantiv als falsches
Bezugswort. In der korrekten Fassung liegt ein „geschlossener Ausdruck" vor, bei dem das letzte
Wort als Attribut auf das erste Substantiv Bezug nimmt und somit den Ausdruck schließt: Nicht
die Kirche gilt es dem Autor zu bewahren, sondern deren Einheit. Zum Geschichtsdenken des
Autors s. Goetz, Geschichte als Argument, pass., vor allem S. 48 f. und 54; Althoff, Päpste und
Gewalt, S. 112-116.
1325 MGH SS LdL 2, S. 495-504 (in der Überschrift S. 498 ohne einleitendes Wort Tractatus); vgl. FStG
12b, S. 580-595; Fröhlich, Bischof Walram von Naumburg, S. 261; Wiessner, Diözese Naumburg,
S. 753-755; vgl. Bayer, Spaltung der Christenheit, S. 186.
 
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