4. Naumburg-Zeitz - Stadt und Bistum
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Möglicherweise spielt auch hier Bischof Walram eine besondere Rolle: Der in
Nikomedien geborene und vielleicht dort auch gestorbene, in Konstantinopel
und der gesamten Ostkirche verehrte Pantaleon war in seiner zu Köln errichteten
Kirche bestattet worden, jener Kirche, in der nicht ohne Grund Kaiserin Theo-
phanu ihre Ruhestätte gefunden hatte.1301 Walram zeigte ein besonderes Inter-
esse an Fragen, die Ost- und Westkirche trennten, etwa dem Filioque oder den
Azymen.1302 Dazu kontaktierte er eigens den wohl größten Gelehrten seiner Zeit,
Anselm von Canterbury. In Ermangelung eigener hagiographischer und histo-
riographischer zeitgenössischer Quellen ist daher diesen beiden Punkten näher
nachzugehen: dem heiligen Leonhard in hagiographischer, dem Briefwechsel
mit Anselm in historiographischer Hinsicht.
b) Entlehnte Hagiographie. Bischof Walram und die Mirakel Leonhards
Bischof Walram wird immer wieder als Autor der Lebensbeschreibung und
Wunderberichte des heiligen Leonhard von Noblat in Beschlag genommen.
Dabei konnte zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass Walram diese hagiogra-
phischen Texte nicht selbst verfasste, sondern bei seinem Besuch im Kanoni-
kerstift von St. Leonhard in Noblat abschrieb, um sie nach Naumburg mitzu-
nehmen.1303 Es handelt sich dabei um die ersten beiden Wunder des zweiten
Mirakelbuchs - zwei Befreiungsgeschichten, die jeweils von Muslimen gefan-
gene Kreuzfahrer betreffen: Die erste bezieht sich auf einen gewissen Richard
(Richardus quidani), der in der älteren Forschung zu Unrecht als anonyme Gestalt
gilt, die andere Geschichte gilt dessen Cousin Bohemund.1304 Gemeint sind dabei
zweifelsfrei keine Geringeren als zwei bedeutende Exponenten des ersten
Kreuzzugs: Bohemund von Tarent und Richard von Salerno, die im August 1100
in arabische Gefangenschaft gerieten.1305 Erst das Wirken des heiligen Leonhard
sollte sie dem Wunderbericht zufolge - vermittelt durch die christliche Frau ihres
muslimischen Besiegers Danischmend - befreien.1306
1301 S. dazu Schieffer, Bruno von Köln, Kaiserin Theophanu.
1302 Zeilinger, Art. Walram, 1500-1502.
1303 Goodich, Die wundersame Gefangenenbefreiung, S. 75 mit Anm. 30; NaR, Walram von Naum-
burg, Sp. 623-625.
1304 Vgl. Miracula Sancti Leonhardi, Trier, Bistumsarchiv, Abt. 95, Nr. 62, foL 63r-75v, s. auch ebd.
fol. 57r-62r (Vita sancti Leonhardi). Für die Übermittlung dieser neueren Signatur sei Frau Marita
Kohl, Bistumsarchiv Trier, herzlich gedankt. Vgl. auch Paris, BnF, Ms. 5347; s. dazu auch die
Edition AASS Novembris, Bd. 3, 1910, ebd. S. 159 f. (Richard) und 160-168 (Richard und Bo-
hemund) sowie die Einführung des Herausgebers Poncelet S. 142f. S. auch BHL 4874. Bayer,
Spaltung der Christenheit, S. 186, widerlegt überzeugend die These von der Autorschaft Wal-
rams, behauptet aber irrigerweise: „In der ersten Wundererzählung ist von einem unbekannten
normannischen Kreuzfahrer ,genere praeclarus' die Rede", obschon gleich zu Beginn eindeutig
Richardus quidam genannt wird.
1305 S. dazu Goridis, Gefangen im Heiligen Land, S. 105.
1306 Vgl. dazu mm ausführlich Goridis, Gefangen im Heiligen Land, S. 105-108. Zu Bohemunds
Pilgerfahrt zum hl. Leonhard aus Dank für seine Befreiung s. auch Friedman, Encounter between
Enemies, S. 132 f.
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Möglicherweise spielt auch hier Bischof Walram eine besondere Rolle: Der in
Nikomedien geborene und vielleicht dort auch gestorbene, in Konstantinopel
und der gesamten Ostkirche verehrte Pantaleon war in seiner zu Köln errichteten
Kirche bestattet worden, jener Kirche, in der nicht ohne Grund Kaiserin Theo-
phanu ihre Ruhestätte gefunden hatte.1301 Walram zeigte ein besonderes Inter-
esse an Fragen, die Ost- und Westkirche trennten, etwa dem Filioque oder den
Azymen.1302 Dazu kontaktierte er eigens den wohl größten Gelehrten seiner Zeit,
Anselm von Canterbury. In Ermangelung eigener hagiographischer und histo-
riographischer zeitgenössischer Quellen ist daher diesen beiden Punkten näher
nachzugehen: dem heiligen Leonhard in hagiographischer, dem Briefwechsel
mit Anselm in historiographischer Hinsicht.
b) Entlehnte Hagiographie. Bischof Walram und die Mirakel Leonhards
Bischof Walram wird immer wieder als Autor der Lebensbeschreibung und
Wunderberichte des heiligen Leonhard von Noblat in Beschlag genommen.
Dabei konnte zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass Walram diese hagiogra-
phischen Texte nicht selbst verfasste, sondern bei seinem Besuch im Kanoni-
kerstift von St. Leonhard in Noblat abschrieb, um sie nach Naumburg mitzu-
nehmen.1303 Es handelt sich dabei um die ersten beiden Wunder des zweiten
Mirakelbuchs - zwei Befreiungsgeschichten, die jeweils von Muslimen gefan-
gene Kreuzfahrer betreffen: Die erste bezieht sich auf einen gewissen Richard
(Richardus quidani), der in der älteren Forschung zu Unrecht als anonyme Gestalt
gilt, die andere Geschichte gilt dessen Cousin Bohemund.1304 Gemeint sind dabei
zweifelsfrei keine Geringeren als zwei bedeutende Exponenten des ersten
Kreuzzugs: Bohemund von Tarent und Richard von Salerno, die im August 1100
in arabische Gefangenschaft gerieten.1305 Erst das Wirken des heiligen Leonhard
sollte sie dem Wunderbericht zufolge - vermittelt durch die christliche Frau ihres
muslimischen Besiegers Danischmend - befreien.1306
1301 S. dazu Schieffer, Bruno von Köln, Kaiserin Theophanu.
1302 Zeilinger, Art. Walram, 1500-1502.
1303 Goodich, Die wundersame Gefangenenbefreiung, S. 75 mit Anm. 30; NaR, Walram von Naum-
burg, Sp. 623-625.
1304 Vgl. Miracula Sancti Leonhardi, Trier, Bistumsarchiv, Abt. 95, Nr. 62, foL 63r-75v, s. auch ebd.
fol. 57r-62r (Vita sancti Leonhardi). Für die Übermittlung dieser neueren Signatur sei Frau Marita
Kohl, Bistumsarchiv Trier, herzlich gedankt. Vgl. auch Paris, BnF, Ms. 5347; s. dazu auch die
Edition AASS Novembris, Bd. 3, 1910, ebd. S. 159 f. (Richard) und 160-168 (Richard und Bo-
hemund) sowie die Einführung des Herausgebers Poncelet S. 142f. S. auch BHL 4874. Bayer,
Spaltung der Christenheit, S. 186, widerlegt überzeugend die These von der Autorschaft Wal-
rams, behauptet aber irrigerweise: „In der ersten Wundererzählung ist von einem unbekannten
normannischen Kreuzfahrer ,genere praeclarus' die Rede", obschon gleich zu Beginn eindeutig
Richardus quidam genannt wird.
1305 S. dazu Goridis, Gefangen im Heiligen Land, S. 105.
1306 Vgl. dazu mm ausführlich Goridis, Gefangen im Heiligen Land, S. 105-108. Zu Bohemunds
Pilgerfahrt zum hl. Leonhard aus Dank für seine Befreiung s. auch Friedman, Encounter between
Enemies, S. 132 f.