4. Naumburg-Zeitz - Stadt und Bistum
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wendeten.1326 Die Einsicht seiner bloßen Pseudepigraphie hat in der Forschung
zu einem Nachlassen des Interesses geführt.1327 Ohne Walram ist die literarische
Quellenlage zum Naumburg der Salierzeit allerdings mehr als dürftig: Chroni-
kalische Werke sind erst ab dem 14. Jahrhundert überliefert und dabei nicht von
einer Qualität, die einem Vergleich mit anderen zeitgenössischen Autoren
standhielten - in unmittelbarer räumlicher Nähe Naumburgs etwa mit Thietmar
von Merseburg.1328 Vor diesem Hintergrund sind die erhaltenen Schriften Wal-
rams von umso größerer Bedeutung. Der Bischof war weniger als Gegenstand
geschichtlicher Werke seiner Zeit bedeutsam, vielmehr schrieb er selbst Zeitge-
schichte, und zwar durch persönlich adressierte Briefe. Auf eine besondere Re-
levanz, wenn nicht Brisanz dieser Schriftzeugnisse für das Verhältnis von Reg-
num und Sacerdotium deuten bereits die bloßen Namen seiner prominenten
Korrespondenzpartner: Ludwig der Springer und Anselm von Canterbury.
Walrams Briefwechsel mit dem bekanntermaßen kaiserkritischen Grafen
von Schauenburg Ludwig dem Springer (1042-1123), der seinen Antwortbrief
von Walrams bischöflichem Amtsbruder Herrand von Halberstadt hatte auf-
setzen lassen, ist jüngst hinsichtlich der Darstellung Kaisers Heinrich IV. näher
betrachtet worden: Walram suchte Graf Ludwig für Heinrich IV. zu gewinnen,
doch Bischof Herrand ließ Ludwig mit scharfer Ablehnung des Kaisers und
sogar heftigster Kritik an Walram selbst erwidern.1329 Auffällig ist darüber hinaus
aber auch in beiden Briefen der immer wiederkehrende Rekurs auf den Apostel
Paulus. Zwar finden sich in beiden Schreiben, zeitgenössischem Briefstil ent-
sprechend, eine Reihe von Verweisen auf verschiedene Bibelstellen. Doch beide
Bischöfe verwenden aus dem Alten Testament fast ausschließlich Sprichworte
und Exempel. Die Paulusbriefe hingegen dienen ihnen neben den Herrenworten
ausdrücklich als Weisungen für das aktuelle Handeln.
Bischof Walram betont in seinem Brief die Gewaltenlehre im Römerbrief,
womit er den Grafen offenbar besonders beeindrucken zu können glaubt. Er
streut aber auch Zitate aus den Briefen an die Korinther und an die Galater, ferner
aus dem ersten Petrusbrief, dem ersten Johannesbrief und der Apostelgeschichte
1326 Zum Geschichtsdenken der Autoren s. Goetz, Geschichte als Argmument, pass., zum Traktat De
Imitate ecclesiae conservanda vor allem S. 48 f. und zu De investitura episcoporum S. 55 mit Anm. 126.
Eine beispiellos ausführliche und tiefgehende Untersuchung zu Autor, Anlass, Vorlagen, Re-
ferenzquellen, Aufbau, Intention und Rezeption beider Traktate bietet Melve, Inventing the
Public Sphere, S. 423-601. Melve, Inventing the Public Sphere, S. 121-171, betont zudem die
reformerische Radikalität des Traktats De ordinando Pontifice ganz im Sinne des später formu-
lierten Dictatus papae Gregors VII. S. hierzu auch Frauenknecht, Der Traktat „De ordinando
Pontifice".
1327 Dies beklagt bereits Fröhlich, Bischof Walram von Naumburg, und sollte bis heute Recht be-
halten - und das, obgleich zumindest im Fall einiger hagiographischer Schriften noch jüngere
Pulikationen unwissentlich an der Autorschaft Walrams festhalten; vgL dazu oben Anm. 1324 f.
1328 Vgl. Wiessner, Diözese Naumburg, S. 755.
1329 Walrami et Herrandi epistolae (hg. von Dümmler); zur Darstellung Heinrichs IV. s. bereits Patzold,
Die Lust des Herrschers, S. 233 mit Anm. 80, S. 242 f. und S. 246 f. Zur Autorschaft Bischof
Herrands auf ausdrücklichen Wunsch Graf Ludwigs s. Walrami et Herrandi epistolae (hg. von
Dümmler), S. 287, Z. 21-23: Venerabilis autem episcopus, secundum petitionem comitis susceptis litteris
ac diligenti examinatione perspectis, votato praesentialiter notario, epistolam dictavit.
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wendeten.1326 Die Einsicht seiner bloßen Pseudepigraphie hat in der Forschung
zu einem Nachlassen des Interesses geführt.1327 Ohne Walram ist die literarische
Quellenlage zum Naumburg der Salierzeit allerdings mehr als dürftig: Chroni-
kalische Werke sind erst ab dem 14. Jahrhundert überliefert und dabei nicht von
einer Qualität, die einem Vergleich mit anderen zeitgenössischen Autoren
standhielten - in unmittelbarer räumlicher Nähe Naumburgs etwa mit Thietmar
von Merseburg.1328 Vor diesem Hintergrund sind die erhaltenen Schriften Wal-
rams von umso größerer Bedeutung. Der Bischof war weniger als Gegenstand
geschichtlicher Werke seiner Zeit bedeutsam, vielmehr schrieb er selbst Zeitge-
schichte, und zwar durch persönlich adressierte Briefe. Auf eine besondere Re-
levanz, wenn nicht Brisanz dieser Schriftzeugnisse für das Verhältnis von Reg-
num und Sacerdotium deuten bereits die bloßen Namen seiner prominenten
Korrespondenzpartner: Ludwig der Springer und Anselm von Canterbury.
Walrams Briefwechsel mit dem bekanntermaßen kaiserkritischen Grafen
von Schauenburg Ludwig dem Springer (1042-1123), der seinen Antwortbrief
von Walrams bischöflichem Amtsbruder Herrand von Halberstadt hatte auf-
setzen lassen, ist jüngst hinsichtlich der Darstellung Kaisers Heinrich IV. näher
betrachtet worden: Walram suchte Graf Ludwig für Heinrich IV. zu gewinnen,
doch Bischof Herrand ließ Ludwig mit scharfer Ablehnung des Kaisers und
sogar heftigster Kritik an Walram selbst erwidern.1329 Auffällig ist darüber hinaus
aber auch in beiden Briefen der immer wiederkehrende Rekurs auf den Apostel
Paulus. Zwar finden sich in beiden Schreiben, zeitgenössischem Briefstil ent-
sprechend, eine Reihe von Verweisen auf verschiedene Bibelstellen. Doch beide
Bischöfe verwenden aus dem Alten Testament fast ausschließlich Sprichworte
und Exempel. Die Paulusbriefe hingegen dienen ihnen neben den Herrenworten
ausdrücklich als Weisungen für das aktuelle Handeln.
Bischof Walram betont in seinem Brief die Gewaltenlehre im Römerbrief,
womit er den Grafen offenbar besonders beeindrucken zu können glaubt. Er
streut aber auch Zitate aus den Briefen an die Korinther und an die Galater, ferner
aus dem ersten Petrusbrief, dem ersten Johannesbrief und der Apostelgeschichte
1326 Zum Geschichtsdenken der Autoren s. Goetz, Geschichte als Argmument, pass., zum Traktat De
Imitate ecclesiae conservanda vor allem S. 48 f. und zu De investitura episcoporum S. 55 mit Anm. 126.
Eine beispiellos ausführliche und tiefgehende Untersuchung zu Autor, Anlass, Vorlagen, Re-
ferenzquellen, Aufbau, Intention und Rezeption beider Traktate bietet Melve, Inventing the
Public Sphere, S. 423-601. Melve, Inventing the Public Sphere, S. 121-171, betont zudem die
reformerische Radikalität des Traktats De ordinando Pontifice ganz im Sinne des später formu-
lierten Dictatus papae Gregors VII. S. hierzu auch Frauenknecht, Der Traktat „De ordinando
Pontifice".
1327 Dies beklagt bereits Fröhlich, Bischof Walram von Naumburg, und sollte bis heute Recht be-
halten - und das, obgleich zumindest im Fall einiger hagiographischer Schriften noch jüngere
Pulikationen unwissentlich an der Autorschaft Walrams festhalten; vgL dazu oben Anm. 1324 f.
1328 Vgl. Wiessner, Diözese Naumburg, S. 755.
1329 Walrami et Herrandi epistolae (hg. von Dümmler); zur Darstellung Heinrichs IV. s. bereits Patzold,
Die Lust des Herrschers, S. 233 mit Anm. 80, S. 242 f. und S. 246 f. Zur Autorschaft Bischof
Herrands auf ausdrücklichen Wunsch Graf Ludwigs s. Walrami et Herrandi epistolae (hg. von
Dümmler), S. 287, Z. 21-23: Venerabilis autem episcopus, secundum petitionem comitis susceptis litteris
ac diligenti examinatione perspectis, votato praesentialiter notario, epistolam dictavit.