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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0039

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I. Petrus. Ein Corpus, zwei Körper, viele Korporationen

Gottes („Christ de Dieu") späterer westfränkischer Prägung.108 Eine Legitima-
tion durch dynastische Rückverweise, wie sie im islamischen Kulturraum be-
gegnet,109 hat es aber nicht gegeben. Lediglich auf die Taufe des Merowingers
Chlodwig und die Weihe Pippins zum König und Karls zum Kaiser konnte
Bezug genommen werden.110 Während etwa Umayyaden, Abbasiden und Ali-
den, (Proto-) Sunniten wie (Proto-) Schiiten, im wechselseitigen Wettstreit ver-
suchten, die eigene Familie in die Erbfolge des Propheten Muhammad zu set-
zen,111 bauten die christlichen Herrscher des Westens auf das Papsttum. Wie im
islamischen Kulturraum das Arabisch, so war im westlich-christlichen das Latein
zur linguci frcincci, in Liturgie und kirchenamtlichem Bibeltext sogar ebenfalls zur
lingua sacra geworden. Die christlichen Könige griffen daher auf gebildete Kle-
riker zurück, und noch ehe Kanzleien institutionell nachweisbar sind, wirkten
Erzbischöfe als ihre Kanzler.112 Apostolische Sukzession schloss bischöfliche
Erbfolge zwar aus, unterstützte aber gerade dadurch die weltlichen Verwal-
tungen des Westens. Umgekehrt wirkten diese durch ihre mit Geistlichen be-
stückten Institutionen von Kapelle und Kanzlei ihrerseits reformfördernd auf
das Papsttum ein.113 Die eingangs erwähnte Lehre des Paulus von der Kirche als
Körperschaft, als Corpus Christi, corpus mysticum114, erfuhr hier ihre petrinisch
spezifizierte Erfüllung. Vor diesem Hintergrund war auch die nachträgliche
Bestätigung des Papstes durch das Papstwahldekret von 1059 möglich. So
kommentierte Petrus Damiani die erstmals außerhalb Roms und ohne Römer
erfolgte, nachträglich auch für die Zukunft als maßgeblich erklärte Wahl Niko-
laus' II. (1059-1061) folgendermaßen: Der heilige Petrus habe ,den Papst' - als
gewissermaßen transpersonale Institution - bei dessen Flucht aus Rom, das jener
unsägliche Simon Magus wie ein Amt durch Geldgeschäfte an sich gerissen
habe, begleitet und an sich gezogen, um allen unmissverständlich zu zeigen, dass
dort bei dem Papst die römische Kirche sei:
Nunc etiam cum Simon ille [...] Romanam urbem velut officium sibi per
monetarios pestiferae negotiationis usurpat, quo vos Petrus vobiscum fugiens
attrahit, illic esse Romanam ecclesiam omnibus indubitanter ostendit.115
Petrus Venerabilis griff dann in einem Brief an Innozenz II. auf Verse des
antiken Dichters Lukan zurück, um die Übetragung der Kirchenleitung auf die
Papstresidenz zu veranschaulichen:

108 Staubach, Art. Königtum.
109 Vgl. Drews /Höfert, Monarchische Herrschaftsformen, S. 229-244.
110 S. dazu etwa Scholz, Die Päpste, S. 126-135.
111 Vgl. Drews/Höfert (ebd.) 239-244; s. auch Drews., Die Karolinger und die Abbasiden, S. 102-146,
vor allem S. 123 f.
112 Staubach, Art. Königtum, Sp. 333-345.
113 S. dazu ausführlich unten Kapitel 1.7.
114 Kantorowicz, Die zwei Körper, S. 206-217; vgl. Ullmann, Kurze Geschichte des Papsttums, S. 138.
115 Migne, PL, 145, col. 443; vgl. Maccarrone, Ubi est papa, ibi est Roma, S. 1152 mit Anm. 46. Zur
apokryphen, im Mittelalter ebenfalls einflussreichen Überlieferung bezüglich Simon Magus s.
Zwierlein, Petrus in Rom, S. 36-74.
 
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