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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0079

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I. Petrus. Ein Corpus, zwei Körper, viele Korporationen

Im Reich bildeten Köln und Trier die ältesten Petrus-Patrozinien, in ständi-
gem Streit begriffen, welchem von beiden Sitzen die größere Bedeutung zu-
komme und höhere Anerkennung gebühre.347 Der angebliche Petrusstab, eine
Art Protomodell des später aufgekommenen Hirtenstabes der Bischöfe, den das
Papsttum, ältester Tradition folgend, bis heute nicht führt, allenfalls durch die
Ferula ersetzt,348 wurde von Trier und Köln gleichermaßen beansprucht. In Trier
verehrte man nach mehrfachem Wechsel ab 980 schließlich den unteren Teil des
Stabes als Reliquie, in Köln den oberen zusätzlich als Insignie, die Erzbischof
Heribert von Köln im Beisein des Papstes erhalten hatte, bevor ihm an der
Confessio das Pallium verliehen wurde.349 Dadurch zeichneten sich diese Städte
zum einen gegenüber dem dritten alten Erzbischofs- und späteren Reichskanz-
lersitz Mainz aus, zum anderen aber auch gegenüber allen Städten, die sich als
neues Rom betrachteten, wie etwa nicht minder Konstanz350 oder Aachen, wo
Otto III. möglicherweise sogar einen Bischofssitz nach römischem Vorbild ein-
zurichten plante.351
Für Sachsen war die Tradition petrinisch begründeten Selb st Verständnisses
insbesondere durch die kirchliche Metropolis Köln geprägt, dem immerhin vier
sächsiche Suffraganbistümer unterstanden: Bremen, Osnabrück und Minden mit
dem Petrus-Patozinium der Metropolitankirche, Münster mit dem komple-
mentären Paulus-Patrozinium, dem sich insbesondere der missionarisch wir-
kende Gründerbischof Liudger verbunden wusste.352 Für den niedersächsischen

347 Diese Auseinandersetzung zeigte sich nicht zuletzt beim Petrusstab. S. dazu Depreux, Der Pe-
trusstab als Legitimationsmittel. S. auch Groten, Karlsmythos und Petrustradition. Zur Bedeu-
tung des Trierer Petrus-Patroziniums für die gesamte Stadt Trier s. auch Reichert, Die Kathedrale
der Bürger, S. 102-104, sowie Winterer, An den Anfängen der Stadtsiegel, S. 188-197.
348 Anstelle des Bischofsstabes (baculum) begegnet die ferula seit dem Frühmittelalter. Dieser Stab
fand jedoch ausschließlich bei ganz bestimmten Zeremonien Verwendung wie etwa bei der
Inbesitzname des Lateranpalastes und scheint daher eher das weltliche Zeremoniell zu betreffen
(so Bernhard Schimmelfpennig jüngst im persönlichen Gespräch; anders hingegen Schimmel-
pfennig, Das Papsttum, S. 135). Allerdings wurde die Ferula dort ursprünglich in Verbindung mit
der Inbesitznahme der Cathedraverwandt, dem liturgischen Ort des päpstlichen Lehramtes. Bei
Kirchweihen fungierte sie wie ein Bischofsstab, um das griechische und lateinische Alphabet auf
den Boden zu zeichnen. Seit der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts wurde sie allerdings ge-
mieden, um nicht als weltliche Insignie missdeutet zu werden. S. dazu nach wie vor grundle-
gend Dürig, Art. Ferula, in: LThK2 4, Sp. 94 (1960) - in der dritten Auflage des LThK wird ist das
Lemma gestrichen, mit Verweis auf Artikel den allgemeinen Artikel „Stab".
349 Vgl. Hehl, Herrscher, Kirche und Kirchenrecht, S. 188 f. mit Anm. 65.; Depreux, Der Petrusstab als
Legitimationsmittel; Hauser, Zur Archäologie des Petrusstabes. Zum Raub des in Trier ver-
wahrten Stabes durch Bruno von Köln s. Vita Brunonis, MGH SS rer. Germ. N. S. 10, Kapitel 27
und 31. Zum angeblichen „Stab Petri" in einer für muslimische Rezipienten verfassten arabi-
schen Quelle zum ersten Kreuzzug, die einen Nagel vom Kreuz Christi offenbar mit Blick auf
dessen zu befürchtende Anstößigkeit für den intendierten Adressatenkreis umdeutet, s. Bruns,
Die Kreuzzüge in syrisch-christlichen Quellen, S. 50 mit Anm. 39.
350 Maurer, Konstanz als ottonischer Bischofssitz; Kroos, Opfer, Spende und Geld, S. 515; dies., Vom
Umgang mit Reliquien; Bölling, Distinktion durch Romrezeption.
351 So jedenfalls mit guten Argumenten Hehl, Herrscher, Kirche und Kirchenrecht, pass., vor allem
S.190-196.
352 Isenberg/Romme (Hgg.), Liudger wird Bischof.
 
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