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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0229

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III. Historiographie, Hagiographie und Liturgie der sächsischen Petrus-Kathedralen

delte. Eine Schreinprozession scheint in Osnabrück erst nach 1100 durchgeführt
worden zu sein, und hierzu benötigte man ebenjenen neu angelegten nördlichen
Kreuzarm, der eigens dazu entworfen worden zu sein scheint.1220 Neben dessen
baulicher Gestalt spricht dafür auch die Nähe zum Altarraum einerseits und zur
nach 1100 bald aufgegebenen Krypta andererseits.
Was für Crispin und Crispinian galt, betraf mutatis mutandis auch andere Os-
nabrücker Nebenpatrone, insbesondere Regina, Hermagoras und Prokopios.
Waren deren Reliquien im frühen 12. Jahrhundert zunächst Teil des nach dem
Dombrand neu geschaffenen Hochaltares,1221 so wurden für sie bald eigene
Schreine und Reliquiare angefertigt, unter denen der Reginenschrein hervor-
sticht.1222 Mit den Armreliquiaren von Crispin und Crispinian bildet er noch
heute eines der bedeutendsten Stücke des Osnabrücker Domschatzes - und dies
nicht nur aus räumlich-materiellen, sondern auch zeitlich-liturgischen Gründen:
Waren doch die Gebeine der beiden Heiligen dem ältesten erhaltenen Osna-
brücker Kalendar zufolge am 20. Juni eingetroffen, der noch vor dem Transla-
tionshinweis ausdrücklich als Festtag der heiligen Regina ausgewiesen ist.1223
Crispin und Crispinian weisen in Osnabrück jedoch nicht nur Bezüge zum
Hauptpatron Petrus und zur Nebenpatronin Regina auf. Bedeutsam war auch
der Patron des Klosters Iburg, in dem sie von 1100 bis etwa 1106 untergeb rächt
waren - der erste Bischof von Rom in der Nachfolge des Petrus: Clemens.1224
Waren ihre Reliquien angeblich aufgurnd des Dombrands im Jahre 1100 im
Hauptaltar des Osnabrücker Petersdoms aufgefunden worden, so verblieben sie
in den folgenden Iburger Jahren in der konkaven Rückwand des dortigen Cle-
mens-Altars.1225 Wurde es also beim umstrittenen Petrus im Osnabrücker Dom
zu unruhig, ruhten ihre Gebeine bei dessen Nachfolger, der seinem angeblichen

1220 Vgl. Niebaum, Studien zum Osnabrücker Kreuzgang, S. 278.
1221 Vgl. oben Anm. 1196. Popp, Der Schatz der Kanonissen, S. 886-88 geht davon aus, dass Regina
und deshalb auch Crispin und Crispinian bereits in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts in
Osnabrück verehrt worden sind, da der Reginentag, der 20. Juni, offenbar von Osnabrück
ausgehend, bereits im 10. Jahrhundert in Essen und andernorts nachweisbar ist.
1222 Kraienhorst, Die Heiligen des Osnabrücker Reginenschreins, S. 104 f. Zu diesem Schrein s. Fritz,
Goldschmiedekunst der Gotik, S. 203 f. mit Abb. 140 f., und zuletzt Kempkens, Der Gebrauch der
Goldschmiedekunst in der Liturgie, S. 73-76 mit Abb. 15 f. (S. 74f.).
1223 Meyer, Calendarium et necrologium, S. 144; Kraienhorst, Die Heiligen des Osnabrücker Regi-
nenschreines, S. 98 mit Anm. 17; besonders ausführlich mit neueren Erkenntnissen über Ver-
bindungen zu anderen Kirchen und Stiften Popp, Der Schatz der Kanonissen, S. 84-88. S. auch
unten Kapitel IV.3c.
1224 Vgl. oben Anm. 659. Einigen Traditionen zufolge hatte Clemens noch die Vorgänger Linus und
Kletus, die aber meist nicht als tatsächlich amtierende Bischöfe gewertet werden. S. dazu unten
Anm. 1265.
1225 Vgl. AASS 11 (Oct. 25), 1870, S. 521: Sed idem episcopus propter vastitatem loci ibidem eos servare
formidans, in hoc nostrum Iburgense castrum propter servitium Dei, quod hic tune a militantibus Deo
strenue fiebat, transferendos putavit, et in altari S. Clementis, quod retro concavum, diligenter includens
omni studio abbati etfratribus custodiendos reliquit. S. auch oben Anm. 1193.
 
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