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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0293

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292

IV. Nebenpatronate und Heiligenkulte der sächsischen Petrus-Kathedralen

mittelalterliche Kaiser des Westens und nicht der Metropolit der Kölner Kir-
chenprovinz, zu der Osnabrück gehörte, soll auch die Wahl des Petrus als Patron
der Osnabrücker Bischofskirche bestimmt haben.1594 Die beiden ansonsten in
Soissons und später auch Rom verehrten Heiligen zeigen also aus der Osna-
brücker Perspektive der Salierzeit von Beginn an eine enge Verbindung zum
apostolischen Hauptpatron Petrus einerseits und zur kaiserlichen Herrscherge-
stalt Karls des Großen andererseits. Vor diesem Hintergrund kann kaum ver-
wundern, dass Crispin und Crispinian in der dargestellten Weise Liturgie und
Hagiographie maßgeblich prägten: Um ihretwillen wurde eine später wieder
aufgegebene Krypta gebaut, für Prozessionen mit ihren Schreinen legte man
einen eigenen, sich architektonisch absetzenden Kreuzgangarm an, und dauer-
haft waren die Reliquien der beiden laut Passio durch ihr Schusterhandwerk
unabhängigen Heiligen in Armreliquiaren zu bestaunen, deren Form in Osna-
brück zu den frühesten überhaupt zählt.1595 1596 Die fehlenden hagiographischen
Eigentexte vermochten die vermeintlich von Karl dem Großen stammenden,
tatsächlich von Bischof Benno II. gefälschten Urkunden aufzuwiegen, ja mehr
noch: Sie bestätigten ein noch höheres Alter und damit sogar einen gewissen
Vorrang der Osnabrücker Kirche gegenüber allen anderen in Sachsen. Deshalb
verdient der Osnabrücker Kult der Nebenpatrone Crispin und Crispinian in
Verbindung mit der lokalen Verehrung Karls des Großen gesonderte Beachtung.
Die Tragweite dieses Zusammenhangs erhellt nicht nur aus der Osnabrücker
Eigenwahmehmung und Selb stdarStellung, sondern auch aus der kaiserlichen
Fremdzuschreibung - durch keinen Geringeren als Heinrich IV. In seiner bereits
kurz erwähnten Urkunde von 1077 schreibt er:
Quapropter ob amorem domini nostri Jesu Christi et beati principis aposto-
lorum et preciosissimorum martirum Crispini et Crispiniani necnon pro
veneracione Karoli imperatoris augusti magni et pacifici et ejusdem ecclesie
fundatoris devotissimi et ceterorum antecessorum nostrorum eandem eccle-
siam suis scriptis et preceptis roborancium necnon avi patrisque nostri atque
nostra ceterorumque videlicet regum, qui in eandem ecclesiam justiciam sibi
denegando peccaverunt, animarum remedio et liberatione et ejusdem episcopi
cedula (!) et diuturna proclamacione nostre immunitatis et libertatis pre-
ceptum super eisdem decimis episcopo sueque ecclesie stabiliendis fiert de-
• 1596
crevimus.
Crispin und Crispinian hatten ihren Weg in die lokale Osnabrücker Memoria
also auf ähnlichem Weg aus gefälschten Urkunden gefunden wie Kosmas und
Damian in Bremen aus einem Messbuch und Sophia in Minden aus einem Ne-
krologeintrag. Sofern die Verehrung von Crispin und Crispinian nicht im Zuge
der Einführung des Reginentages im Osnabrück des 10. Jahrhunderts aufge-

1594 Vgl. dazu ausführlich oben Kapitel II.lc.
1595 Vgl. oben Kapitel III.3a und b.
1596 Philippi, Osnabrücker Urkundenbuch, Bd. 1, Nr. 182, S. 153-155, hier S. 155 (mit Datum vom
30. Dezember 1077); vgl. auch Nr. 185, S. 159-161, hier S. 161 (mit Datum vom 30. März 1079);
vgl. oben Kapitel II.lc.
 
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